"Wir demontieren eine Lüge"

■ Konrad Link ist Mitglied der Mahnwache Gundremmingen. Er ruft dazu auf, den nächsten Castortransport mit abgebrannten Brennelementen nach Gorleben zu verhindern

Der erste Castor, der mit abgebrannten Brennelementen nach Gorleben fuhr, löste eine der größten Polizeiaktionen der deutschen Nachkriegsgeschichte aus. Der zweite Transport steht bevor. Diesmal sollen Brennelemente aus dem Atomkraftwerk Gundremmingen bei Günzburg ins Wendland fahren. Bisher sind die hochradioaktiven Abfälle aus dem bayrischen Siedewasserreaktor regelmäßig zur Wiederaufbereitungsanlage ins britische Sellafield geschickt worden. Bayern hat zwar den Einsatz von MOX-Elementen, die Plutonium aus der Wiederaufarbeitung enthalten auch für den Siedewasserreaktor von Gundremmingen erlaubt. Doch die unter dem der Dach des Viag-Konzerns privatisierte Bayernwerk AG will trotzdem aus dem Plutoniumkreislauf austeigen und ihren radioaktiven Abfall lieber ohne teuren Umweg loswerden. Gorleben soll als praktisch unbefristretes Zwischenlager dienen.

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taz: Wann der Castor in Gundremmingen losfährt, ist nicht bekannt. Die Mahnwache ruft aber für diesen Tag zur Demontage von Schienen vor dem Atomkraftwerk auf. Das ist Sachbeschädigung und strafbar.

Konrad Link: Wir wissen, daß wir ein sehr großes Risiko eingehen. Aber wir müssen in die Offensive gehen, um zu zeigen, da passiert massives Unrecht. Da werden abgebrannte Brennelemente nach Gorleben geschickt, obwohl jeder weiß, daß es kein Endlager gibt und kein schlüssiges Entsorgungskonzept. Da wird einfach eine Lüge durchgeprügelt, und diese Schiene, die wir demontieren wollen, dient nur dazu, diese Lüge aufrechtzuerhalten.

Gerichte sehen das anders.

Dieser Schienenstrang wird ausschließlich für den Transport zwischen dem AKW Gundremmingen und dem Bahnhof Offingen genutzt und ist sonst gänzlich unbefahren. Dort wollen wir völlig ohne Gewalt eine Demontageaktion ähnlich wie im Wendland durchführen. Es ist ausgeschlossen, daß jemand durch unsere Aktion gefährdet wird. Mit einfachen Geräten, wie Schubkarren, Seilen, Steckschlüsseln, Spaten und Schaufeln wollen wir vorgehen. Im Schienenbett sollen dann vielleicht auch noch einige Bäume gepflanzt werden. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir möchten auch nicht locker über Gesetze hinweggehen. Ganz im Gegenteil. Aber diese Gesetze sind dann nichtig, wenn sie nur dafür da sind, das eigentliche Gesetz, nämlich die körperliche Unversehrtheit und das Leben zu schützen, zu umgehen.

Muß es denn eine Schienendemontage sein?

Wir versuchen ja immer wieder, mit der Werksleitung Gespräche zu führen. Wir haben schon zig Transporte blockiert und angeboten, die Demontage auszusetzen, wenn sie ernsthaft in einen Dialog eintreten. Aber das ist nicht der Fall. Also die zeigen uns, daß wir immer mehr von uns aus aufs Spiel setzen müssen, unsere Freiheit beispielsweise. Aber es geht schließlich um die Zukunft von vielen Generationen bei diesen hochgefährlichen Atomtransporten.

Und wenn die Konsequenz Knast heißt?

Einige von uns, ich selbst auch, waren schon mal kurzfristig im Knast. Aber auch das bewegt etwas, auch die Richter denken über unsere Motive sehr genau nach. Es spricht meines Erachtens Bände, wenn ein Richter mir sagt, das sei alles sehr ehrenwert, was Sie machen, und daß er uns nicht für Verbrecher hält, uns aber dann trotzdem verurteilt. Das Recht auf Leben ist jedoch ein höheres Recht als das auf den ungestörten Betrieb eines Atomkraftwerkes, und deshalb müssen wir nun mal so handeln. Auch wenn wir dafür ins Gefängnis müssen.

Wem wird das etwas nützen? Was wird damit in Bewegung gebracht? Ist das nicht alles ein sehr aufwendiger Kampf gegen Windmühlenflügel, und macht sich da nicht auch Resignation breit?

Es ist natürlich beides. Wir merken immer, daß es tatsächlich scheinbar ein Kampf gegen Windmühlenflügel ist, daß sich unheimlich wenig tut, auch innerhalb der AKW-Bewegung. Aber andererseits merken wir eben auch, daß sich ganz leise doch immer wieder was bewegt. Alleine die Tatsache, daß wir schon so oft freigesprochen wurden, daß uns ein Bayerisches Oberstes oder ein Landgericht Memmingen freisprechen kann, zeigt doch, daß es nicht ganz umsonst ist. Und daß wir es seit sechs Jahren schaffen, das AKW zum Thema zu machen, was vor unseren Aktionen ja nicht so war, das ist schon auch ein Erfolg. Es steht zwar noch nicht still, aber wir geben ja auch noch nicht auf. Interview: Klaus Wittmann