Direktkandidat wirft das Handtuch

■ In Pankow verläßt Thomas Kreutzer fünf Tage vor der Wahl die Bündnisgrünen, weil der "kritische Blick auf diesen Staat verlorengegangen" sei. Er hält die Partei für "genauso schlecht wie alle anderen"

„Am Tag nach der Wahl gehe ich.“ Thomas Kreutzer, 1989 Mitinitiator des Neuen Forums in Pankow, der am 22. Oktober als Direktkandidat für Bündnis 90/Die Grünen in Pankow-Nord ins Abgeordnetenhaus einziehen wollte, wirft das Handtuch. Nicht die relative Chancenlosigkeit bei der Wahl habe ihn dazu bewogen, sondern, so Kreutzer, der für ihn unerträgliche Zustand der Partei.

„Wenn sich Bürgerrechtler von damals heute Bundesverdienstorden an die Brust heften lassen und nicht mal mehr auf die Idee kommen, sich mit einer wie Ingrid Köppe zu solidarisieren, wenn der kritische Blick auf diesen Staat und dieses System immer mehr verlorengeht und einstige ALer heute mit Figuren der ehemaligen Westberliner Baumafia smalltalken, dann weiß ich einfach nicht mehr, was ich bei den Bündnisgrünen noch soll“, erklärte er.

Kreutzer, der sich vor allem in der „Bürgerinitiative Nordostraum“ engagiert, beklagt den Verlust an Basisnähe. „Unser Ziel ist es, den Nordosten zu einem Gebiet mit höherer Lebensqualität zu entwickeln.“ Diese Entwicklung könne nicht von „oben“ angeordnet, sondern nur mit Sachverstand der Betroffenen erreicht werden. So jedenfalls steht es geschrieben in jenem Papier, mit dem Thomas Kreutzer und die Weißenseer Sozialstadträtin Claudia Hämmerling in den Wahlkampf gezogen sind. Doch gerade auf den „Sachverstand der Basis“ würde beim Landesvorstand kein Wert mehr gelegt. „Wo überhaupt noch Gespräche stattfinden, mutieren sie zunehmend zu einer Art Weiterbildungsveranstaltungen. Initiativlern wird erklärt, wo es gefälligst langzugehen hat.“ Kreutzers Kritik zielt auch auf die Nachwuchsarbeit der Partei. Junge Leute wie Benjamin Hoff seien in den eigenen Reihen verschlissen worden und tauchen jetzt bei der PDS auf.

In Pankow und Weißensee löste die Ankündigung des Direktkandidaten herbe Enttäuschung aus. Thomas Hetzer, Fraktionssprecher der Pankower Bündnisgrünen, hält Kreutzers Entscheidung für eine unglückliche Kombination aus „manchmal berechtigtem Frust an bündnisgrüner Parteiarbeit“ und einer „Ungeduld, mit der sich Thomas immer wieder selbst ein Bein stellt“. Kreutzers Vorwurf, daß eine Öffnung der Partei in die Gesellschaft nicht stattfinde, könne er nicht teilen. Statt sich auszutauschen, sei Kreutzer permanent „die Tür zuschlagend davongelaufen“. So wechselte er im Februar zu den Grünen nach Weißensee. Doch weil, wie er sagte, auch dort „Kungeleien mit der Macht“ üblich wären, wolle er nun nicht länger einer Partei angehören, die „genauso schlecht ist wie alle anderen“. Kathi Seefeld