Bei Shell strahlt nur der Vorstand

■ Wenig radioaktives und giftiges Material auf der Brent Spar

Dublin (taz) – Shell hat die Wahrheit über die Schadstoffe an Bord der Brent Spar gesagt. Das bestätigte die unabhängige norwegische Organisation „Det Norske Veritas“ (DNV), die gestern in London ihr von Shell in Auftrag gegebenes Gutachten vorlegte. Demnach enthält die ausgemusterte Versorgungsinsel nur geringe Rückstände giftiger Metalle und Material von niedriger radioaktiver Strahlung. Allerdings befindet sich auf der Brent Spar doppelt soviel Öl, wie der britisch-niederländische Konzern geschätzt hatte – nämlich 100 Tonnen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die durch ihre Boykottkampagne im Juni die Versenkung der Brent Spar im Nordatlantik verhinderte, hatte zunächst von 5.000 Tonnen gesprochen. Anfang September hatte sie sich allerdings für die falschen Meßwerte entschuldigt.

Paul Horsman von der britischen Greenpeace-Sektion sagte nach der Veröffentlichung des norwegischen Untersuchungsergebnisses, daß seine Organisation keineswegs ihre Meinung über die Shell-Kampagne geändert habe, denn es gehe nicht um genaue Mengenangaben, sondern ums Prinzip. „Die Ozeane sind keine Müllkippen“, sagte er, „man wirft ja auch keine Cola-Dosen in einen See.“

Der Sprecher des Mineralöl- Konzerns Shell, Eric Foulds, war dagegen hoch erfreut. Er sei sehr zufrieden, sagte Foulds gestern, weil die Untersuchung ergeben habe, daß Shell damals im Recht gewesen sei. „Die wilden Anschuldigungen sind damit wohl verstummt“, sagte Foulds, „jetzt können wir uns auf die weitere Vorgehensweise konzentrieren.“

Wie diese Vorgehensweise aussehen könnte, hatte der Shell-Vorsitzende Chris Fay vor einem Monat angedeutet: In einem Interview weigerte er sich ausdrücklich, die Meeresbestattung der Brent Spar – sie gehört je zur Hälfte Shell und Esso – auszuschließen.

Zur Zeit liegt die Insel in einem norwegischen Fjord. Der Ölmulti hat einer Reihe von Agenturen ein vertrauliches Papier vorgelegt, in dem von einem Werbefeldzug die Rede ist. Man will mit diesem „ein Klima der politischen und öffentlichen Meinung“ herstellen, das die Versenkung doch noch gestattet, ohne daß das Unternehmen negative Folgen für sich befürchten muß.

Für die Ölkonzerne steht viel Geld auf dem Spiel: Allein im Brent-Ölfeld schwimmen mehr als 30 Bohrinseln. In der Nordsee sind es insgesamt über 400, die in den nächsten 35 Jahren ausgemustert werden. Das wird genausoviel kosten wie der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal, hat eine schottische Börsenmaklerfirma errechnet. Ralf Sotscheck