Augenränder sind ein Muß

Avantgarde-ModedesignerInnen in Berlin, Teil 4: Frank Schütte, Ex-Verfechter schlecht sitzender Recycle-Mode, macht jetzt in Clubwear und Couture – und schädlichem High-Tech  ■ Von Kirsten Niemann

Frank Schütte, der Papst aller jungen Berliner Recycle-Mode- Designer zieht nach New York. Und auch sonst hat sich bei ihm einiges geändert. Bekannt wurde der heute 30jährige Schütte mit seinem eigenen Avantgarde-Clubwear- Label „3.000“, das er mit seinem Kompagnon Stefan Loy vor knapp drei Jahren gründete.

Schütte war der erste Verfechter schlecht sitzender Recycle- Mode, die – außer aus Secondhandklamotten – schon auch mal aus Mullbinden und Teesieben gearbeitet wurde und die sich nebenbei durch eine extrem kranke Farbkombination auszeichnete. Obendrein kam es nicht selten vor, daß die Ware schon bei der ersten Anprobe aus den Außennähten platzte. Was natürlich kein grob fahrlässiger Verarbeitungsfehler war, sondern Programm.

„Nichts paßt zusammen, alle ästhetischen Wertmaßstäbe werden außer Kraft gesetzt, wobei eine völlig neue Harmonie entsteht“, so lautete bis vor kurzem sein Credo. Ebenso verwegen war das Schönheitsideal, dem seine Models standhalten mußten: Verbraucht aussehende junge Menschen mit wirrem Gesichtsausdruck waren gefragt. Die Augenbrauen sollten nach Möglichkeit fehlen, Augenränder waren dagegen ein Muß. Von der Recycling-Idee und seinen ersten kaufmännischen Gehversuchen im eigenen Secondhandladen in der Wiener Straße will der Modemacher, der nach eigener Aussage gar nicht nähen kann, heute nichts mehr wissen. „Recycling-Designs sind nicht nur völlig out, sondern bei meinem jetzigen Produktionsvolumen auch einfach nicht mehr möglich.“

Auch vom Avantgarde-Anspruch hat er sich zunehmend distanziert: „Ich mache Clubwear und Couture!“ Die Zeiten, in denen Frank Schütte mit seinen Kreationen bei Berliner Szeneboutiquen wie „Wicked Garden“ oder „Durchbruch“ hausieren ging, sind ebenfalls vorbei. Mittlerweile jettet er mit seinen Kollektionionen im Gepäck um die halbe Welt. „Du, ich habe gar keine Zeit, morgen geht mein Flieger nach Paris...“ und „Du, ich bin gerade erst aus Tokio zurück...“ sind seine gängigsten Äußerungen.

Vor einem knappen halben Jahr, als es aufgrund „modephilosophischer Differenzen“ zum Bruch mit Loy kam, gründete Schütte mit seiner neuen Geschäftsgefährtin Heike Woosey das Couture-Label „Yocoonoadam“, ganz einfach zu sprechen als: Yoko Ono Adam – ein Synonym für „die Männlichkeit der asiatischen Frau“. Diese jüngste Kollektion zeigte er nun am vergangenen Mittwoch erstmals anläßlich eines erlesenen Yocoonoadam-Abendessens in der ehemaligen Disco „Dschungel“. Geladen waren rund 200 Gäste aus dem Freundeskreis, der Presse und natürlich der Szene. Die gesamte Low Spirit Crew, Annette Humpe und jeder, der auch nur irgendwas mit Mode zu tun hat, war da.

Geküßt hat Schütte alle. Und es wurde ein Event, der Präsentation, Abschieds- und House-Party und ganz nebenbei perfekte Journalistenbestechung in einem war. Das Menü war überragend, die Speisekarte erheiternd: So tischte man „Artischoke“ mit Kräutervinaigrette und aioli auf, Paillard de Veau mit Spinat und Kartoffeln. Zum Dessert gab es Cassata sowie „degestif: Manhatten Cocktail“, und pißwarmen, mit Eiswürfeln aufgepeppten Weißwein.

Die Präsentation der neusten „Yocoonoadam“-Kollektion, die Schütte als den Ausdruck seines „Pogo-Bungalow-Agentenstyles“ beschreibt, war alles andere als gewöhnlich: Es gab keinen Laufsteg, sondern lediglich eine lange Tafel, an der die rund 20 fesch eingekleideten Models saßen und einfach nur aßen. Und diese hatten nicht nur Augenbrauen, sondern sahen auch sonst alles andere als verbraucht aus. Schwarzhäutige Schönheiten mit gutdefinierten Körpern eben. Der Pogo-Bungalow-Agenten-Stil entpuppte sich auf den ersten Blick als ein Outfit, das ebensogut für die Stewardeß- Crew der Lufthansa geeignet wäre. Kostüme in dunkelblauem High- Tech-Material, teils lang, teilweise auch kürzer, klassische Formen, nüchtern und schlicht, aber irgendwie auch sehr schön. Eine Wandlung in Schüttes Werkeln, die zunächst kaum nachvollziehbar ist.

Oder doch? Der ehemalige Recycling-Verfechter will nämlich hoch hinaus und sämtliche Modegazetten von Elle bis Vogue erobern. Beim alten geblieben ist lediglich sein eigenes Outfit mit ausgeprägtem Faible für aufwendige Gesichtspiercings und Tattoos.

Schüttes Glaube an eine große Zukunft in New York ist ungebrochen. Ein Loft in bester Manhattan-Lage ist gefunden, Angebote, für US-Labels zu arbeiten, gibt es ebenfalls. „Durchstarten und Amerika erobern“ heißt die Parole. Ein neues Image braucht neue Materialen wie diesen atmungsaktiven norwegischen High- Tech-Stoff, der sich übrigens ideal zum Moto-Crossen eignet. „Es ist ja so schädlich – but I love it!“

Kontakt: Frank Schütte, derzeit noch Telefon 2139203

Teil 1 unserer Serie (9./10.9.) stellte Next G+U+R+U Now vor, Teil 2 Jörg Pfefferkorn (21.9.), Teil 3 IM Waircraft (13.10.)