: Hölzernes Juwel im Viertel
■ Gestern öffnete das bundesweit einzige Tischlerei-Museum in Bremen
Es ist, als könne man noch das Stampfen der Maschinen hören, in der Luft liegt noch immer der Geruch von Holz und Schweiß. Gestern wurde in der Köpkenstraße das bundesweit erste Tischlerei-Museum eröffnet: eine komplette Werktstatt, die die BesucherInnen zurückversetzt in die Jahrhundertwende, ins Zeitalter des technischen Aufbruchs.
Als die Tischlerei 1889 in zwei Reihenhäusern gegründet wurde, wurde sie als moderne Anlage kritisch beäugt. Schließlich pulsierte in ihrem Herzen eine Dampfmaschine, die über eine Transmissionsanlage mehr als 20 Holzbearbeitungsmaschinen antrieb. Geniale Erfindung der Menschheit oder Höllenwerk? In jedem Fall würde sie alles verändern.
Das erlebte auch Gustav Adolph Deckwitz, einer der beiden Gründer der „Tischlerei-Werkstätte mit Dampfbetrieb“. 1863 kam er als Geselle nach Bremen und rief ein Jahr später, bevollmächtigt durch Ferdinand Lassalle, den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ ins Leben, die Vorgängeorganisation der sozialdemokratischen Bewegung in Bremen. 1873 aber, erforschte Tischlermeister und Dozent Peter Benje, gründete Deckwitz die Bremer Tischler-Innung neu, die als Arbeitgeberorganisation gegen die gewerkschaftlich organisierten Gesellen antrat.
Von beiden Seiten erforderte die neue Technik einen grundsätzlichen Wandel der Qualifikationen. Morgens um vier begann der Tag nicht etwa mit Tischlern, sondern mit dem zweistündigen Aufheizen und Warten der Maschinen, die, so Benje, „die Werkstatt nach dem Prinzip des Fließens“ organisierte. Wo zuvor an einem Stück gearbeitet wurde, wanderten die Holzteile nun über verschiedene Stationen. Und nicht zuletzt waren auch die kaufmännischen Fähigkeiten des Tischlers stärker gefordert, denn durch rationalisiertes Arbeiten stieg die Zahl der Produkte. Damit war Deckwitz scheinbar überfordert. Zwei Jahre nach Werkstattgründung war der „Arbeiterveteran“ pleite und überlebte als Kassenbote im Bremer Konsumverein.
Die Werkstatt aber blieb bestehen und wurde erst vor etwa 20 Jahren geschlossen. Ihr letzter Besitzer, Tischlermeister Otto, hinterließ eine Schaffensstätte, die seit mehr als 40 Jahren keine Modernisierung erfahren hatte. Mitte der 80er sollte sie dann abgerissen werden, ein Grillplatz an ihre Stelle rücken.
Durch Zufall erfuhren Mitglieder der Tischler-Innung Bremen davon. Gemeinsam mit einem flugs gegründeten Förderverein Tischlerei-Museum wurde fortan renoviert: Man stellte nach altem Vorbild das Dach wieder her und überholte die „überhistorischen WC-Anlagen“. Ansonsten blieb alles beim Alten, gemäß der Empfehlung von Mitarbeitern des Focke-Museums. „Entstauben dürfen Sie alles, aber nicht streichen“, hieß es, dabei hätte Dietrich Dittmar, Vorstandsmitglied des Fördervereins, nur allzu gern Teppiche gelegt.
Heut ist man froh, sich an die Anweisungen gehalten zu haben. Denn nun atmet die jetzige Werkstatt im Rhythmus der alten Dampfmaschine, die, sobald die letzten Originalteile beschafft sind, wieder die Transmissionsriemen antreiben wird.
„So ist recht! Erst Kreissäge stillsetzen, dann Splitter entfernen“, warnten Schilder vor neuen Gefahren. Wie groß die waren, erinnert ein 82jähriger Tischlermeister und Museumsbesucher. Für drei Mark Wochenlohn begann er 1928 seine Lehre und arbeitete an solchen Maschinen. Die Tischler aus der Zeit mußten häufig Finger lassen, erklärt er und zieht dabei stolz seine Hände hoch: „Aber ich hab noch alle dran“. Einmalig findet er, daß Auszubildende über das Museum einen Einblick in ihre Geschichte erhalten: „Dann lernen die mal, wie gut sie es heute haben.“ dah
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