: Embolie nach Schering-Pille
Britische Behörden warnen vor Gesundheitsfolgen durch Antibabypillen. Auch Schering-Präparate sollen zu Thrombosen führen ■ Von R. Sotscheck und W. Löhr
Berlin/London (taz) – Die britische Überwachungsbehörde für Arzneimittelsicherheit (CSM) hat Frauen am Donnerstag vor sieben oralen Verhütungsmitteln gewarnt: Die Präparate würden die Gefahr von gefährlichen Durchblutungsstörungen erhöhen. Es handelt sich dabei um Femodene, Femodene ED und Triadene der Firma Schering, um Minulet und Tri-Minulet von Wyeth Laboratories sowie um Marvelon und Mercilon von Organon. Scherings Pille Femodene ist in Deutschland seit Jahren unter dem Namen Femovan im Handel.
Die Überwachungsbehörde stützte sich bei ihrer Warnung auf Erhebungen bei praktischen ÄrztInnen sowie auf Daten einer Studie, die im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO durchgeführt worden war. Zwar ist der Bericht noch nicht offiziell vorgestellt worden, doch erste Analysen deuten darauf hin, daß sich das Thromboserisiko bei den sieben Präparaten im Vergleich zu anderen Antibabypillen verdoppelt – von 15 auf 30 Fälle bei 100.000 Frauen. Bei einer Schwangerschaft steigt das Risiko allerdings auf 60 Fälle. Deshalb empfahl die Überwachungsbehörde den betroffenen Frauen, zum Arzt zu gehen. Bis dahin sollen sie die Pille weiterhin nehmen. Insgesamt nehmen in Großbritannien etwa anderthalb Millionen Frauen diese Präparate.
Die genannten Pillen sind in den achtziger Jahren auf den Markt gekommen und galten damals als besonders risikoarm, weil sie die Blutfette wenig beeinflußten. Die WHO-Studie hat nun ergeben, daß sich das Risiko einer Venenthrombose durch die Kombination von Östrogen mit zwei Arten des Hormons Progesteron erhöht, nämlich Gestoden und Desogestrel. Alle anderen Antibabypillen – auch diejenigen, die ausschließlich Progestogene enthalten – seien im Vergleich ungefährlich.
Wyeth monierte, die Ergebnisse widersprächen den klinischen Forschungen, die in den vergangenen zehn Jahren weltweit durchgeführt worden seien. Organon geht davon aus, daß die Daten der WHO-Studie fehlerhaft seien. Und das Schering-Stammhaus in Berlin erklärte: „Das Unternehmen fürchtet, daß diese Kontroverse zu großer Verunsicherung und Ängsten bei den britischen Anwenderinnen führt.“ Das glaubt auch Anna Szarewski, Ärztin an der Familienplanungsklinik in London. Sie bezeichnete die Warnung der Überwachungsbehörde als „verantwortungslos und voreilig“. Seit Donnerstag abend stehe das Telefon bei ihr in der Klinik nicht mehr still, sagte sie.
Auch in Deutschland wird seit Jahren schon über die Mikropillen gestritten. Obwohl beim deutschen Arzneimittelinstitut allein für Scherings Femovan rund 410 Thrombose-Vorfälle gemeldet wurden, darunter auch zehn Todesfälle, die mit der Pille in Zusammenhang gebracht werden, haben die Berliner Arzneimittelwächter sich noch nicht dazu durchringen können, die Zulassung für das umstrittene Verhütungsmittel zurückzunehmen.
Eine Entscheidung wird dort seit langen immer wieder hinausgezögert. Von Sachbearbeitern der Behörde ist wiederholt eingefordert worden, Femovan vom Markt zu nehmen. Eine derartig drastische Maßnahme wurde jedoch vom Institutsleiter Alfred Hildebrandt bisher immer wieder verweigert. Statt dessen hat man dort den für Femovan zuständigen Mitarbeiter aus „verhaltensbedingten Gründen“ gefeuert.
Am Montag erscheint zu dem Thema auf der taz- Wissenschaftsseite ein Hintergrundbericht.
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