: Serbisch-ungarischer Kuhhandel
■ Milošević will mit ungarischer Minderheit verhandeln. Dafür soll Budapest Serbien den Weg in die OSZE ebnen
Budapest (taz) – Serbien ist bereit, mit Vertretern der ungarischen Minderheit in der Wojwodina über ihre Forderungen nach mehr Selbstbestimmung zu verhandeln. Im Gegenzug soll sich Ungarn dafür einsetzen, daß Serbien wieder als Vollmitglied in die OSZE aufgenommen wird. Darauf einigten sich der serbische Präsident Slobodan Milošević und der ungarische Ministerpräsident Gyula Horn am Freitag in der serbischen Hauptstadt Belgrad.
Milošević lehnte es zwar ab, die Forderungen der Wojwodina-Ungarn auf bilateraler Ebene mit Ungarn zu klären. Er sicherte Horn jedoch zu, daß serbische Regierungsvertreter zusammen mit Vertretern der ungarischen Minderheit demnächst in einer Arbeitsgruppe verhandeln würden.
Vertreter der rund 500.000 Wojwodina-Ungarn verlangen für Gebiete, in denen sie die Mehrheit bilden, eine politisch-administrative Autonomie. Diese Forderung wird auch von der ungarischen Regierung unterstützt.
Einen gemeinsamen Protest der Wojwodina-Ungarn und der ungarischen Regierung hatte es in den letzten Wochen zudem gegen eine Ansiedlung der serbischen Flüchtlinge aus der Kraijna in der Wojwodina gegeben.
Vertreter der Wojwodina-Ungarn sehen darin eine neue Strategie Belgrads für „ethnische Säuberungen“. Auch darüber soll in der Arbeitsgruppe verhandelt werden. Zugleich bat Milošević Horn bei dem Treffen darum, daß der ungarische Außenminister Laszlo Kovacs sich in seiner Funktion als OSZE-Präsident für eine Wiederaufnahme Serbiens in die Organisation einsetzen solle. Horn äußerte sich darüber bisher noch nicht.
Der ungarische Ministerpräsident, der am vergangenen Mittwoch bereits in Zagreb gewesen war, überbrachte dem serbischen Präsidenten überdies ein Schreiben des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman. Darüber verlautete lediglich, daß Tudjman ein Treffen mit Milošević vorschlage, um zu einer schnellen Friedensregelung in Ostslawonien zu kommen. Horn betonte am Freitag in Belgrad jedoch, daß er keine Vermittlerrolle zwischen Kroatien und Serbien spielen wolle.
Bei seinem Belgrad-Besuch kam Horn mit Milošević und dem serbischen Ministerpräsidenten Radu Contic außerdem überein, die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder nach einer Aufhebung des UNO-Embargos gegen Restjugoslawien möglichst schnell auszuweiten. In Kroatien hatte der ungarische Ministerpräsident ein Angebot vorgelegt, demzufolge Ungarn sich am Wiederaufbau Bosniens und Kroatiens mit einer Milliarde Dollar beteiligen wolle. Keno Verseck
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