Wer tötete Eleonore F.?

■ Nach sieben Monaten fand das Schwurgericht im Mordprozeß gegen Peter S. und Mohamad A. ein Urteil, doch fand es auch die Wahrheit? Staatsanwalt und Polizei hegen allerdings starke Zweifel an der Gerichtsentscheidung.

Unter großem Sicherheitsaufwand endete gestern der Prozeß gegen Peter S. und Mohamad A.. Beide waren angeklagt, gemeinschaftlich in der Nacht zum 10.6.94 die 37jährige Eleonore F. mit 25 Messerstichen ermordet zu haben: „Peter S. wird wegen Totschlags zu sieben Jahren verurteilt, der Angeklagte Mohamad A. wird freigesprochen“, verlas Richterin Robrecht das Urteil. Die Kosten des Verfahrens trägt Peter S., die Entschädigung für die viermonatige U-Haft von Mohamad A. zahlt die Staatskasse.

Damit fällte das Schwurgericht ein Urteil, das zu großer Unzufriedenheit bei der Staatsanwaltschaft, der Kripo, bei der Mutter des Opfers und bei den ProzeßbeobachterInnen führte. Die meisten von ihnen gehen nach wie vor davon aus, daß Mohamad A., der bereit 1991 seine damalige Ehefrau mit 17 Messerstichen getötet hatte und im März 94 nach gut dreieinhalb Jahren aus der Haft entlassen worden war, bei der Tat zumindest mitbeteiligt war. Das hatte auch Peter S. kurz nach seiner Verhaftung am 11.6.94 der Polizei gestanden. Er habe, erzählte er dort, seinen Freund Mohamad A. gebeten, Eleonore F. umzubringen. Wenige Tage später aber widerrief er dieses Geständnis, und behauptete fortan, die Tat allein begangen zu haben. Eine Version, die sowohl für ihn als auch seinen Freund günstigere Prognosen versprach: Mohamad A. konnte so auf Freispruch hoffen, Peter S. auf eine Anklage wegen Totschlag im Affekt (5 Jahre) und nicht Mord (lebenslänglich).

In einer Verhandlung, die ursprünglich auf acht Tage angesetzt war, dann aber sieben Monate dauerte, suchte das Gericht die Wahrheit. Mohamad A. sprach den ganzen Prozeß über kein Wort. Das erste Geständnis von Peter S. wurde aufgrund eines Formfehlers der Kripo als „nicht verwertbar“ betrachtet. Ein Gutachten bezüglich der Teeranhaftungen unter den Schuhen von Mohamad A. ergab nichts. Zwar entsprachen diese dem Boden am Tatort, konnten aber ebensogut von anderen Orten stammen. Ein zweites Gutachten verglich 18 Baumwollfasern, die an der Kleidung und an der Hand von Eleonore F. gefunden worden waren, mit einem bei A. beschlagnahmten Pullover. Nachdem der Gutachter zunächst von einem „eindeutigen Fingerprint“ der Fasern gesprochen hatte und mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ davon ausging, daß die Fasern von A.'s Pullover stammten, sagte er später lediglich, die Fasern könnten von dort stammen. „Das ist im Hinblick darauf, daß nur geringe Hinweise auf A. als Täter deuteten, nicht ausreichend“, resumierte Richterin Robrecht in der Urteilsbegründung. Im übrigen sehe man bei A. weder ein Tatmotiv noch Hinweise für eine Auftragstat.

Nachdem Mohamad A. bereits am 12.10. aus der U-Haft entlassen worden war, folgte das Gericht der These von der Alleintäterschaft des Peter S. Dieser habe mit Eleonore F. in einer Beziehung gestanden, „wo keiner von dem anderen lassen konnte“. Als er sich dennoch auf Drängen seiner Ehefrau, die das dritte Kind erwartete, von der Geliebten Eleonore F. habe trennen wollen, sei es mehrfach zu Auseinandersetzungen gekommen. Tatsächlich ist belegt, daß Peter S. die Eleonore F. bis zur Bewußtlosigkeit würgte, mehrfach prügelte und sogar mit dem Messer attackierte.

Das Gericht geht in seinem Urteil davon aus, Peter S. habe Eleonore F. an diesem Abend zum Tatort bestellt. Dabei habe er ein Messer bei sich gehabt. Daß Eleonore ihn beim dortigen Streit so provoziert hätte, daß er im Affekt handelte, mochte das Gericht dem Angeklagten jedoch nicht glauben. Er müsse die Streitereien doch gekannt haben hieß es.

Damit lag der Strafrahmen, der bei Totschlag im minder schweren Fall maximal fünf Jahre umfaßt hätte, zwischen 2 und gut 11 Jahren. Das Gericht hielt dem Angeklagten strafmildernd zugute, daß er bei der Tat alkoholisiert war, sich „in einem Zustand affektiver Anspannung“ befand, vorstrafenfrei ist und vor Gericht die Tat einräumte.

Beide Angeklagten nahmen die Urteilsverkündung ohne jede Regung zur Kenntnis. Die Mutter von Eleonore F. dagegen ist entsetzt: „Das kann doch nicht wahr sein“, brach es unter Tränen aus ihr hervor. Sie hatte nicht einmal eine Chance, als Nebenklägerin ein abschließendes Statement abzugeben. Weder das Gericht noch ihr Anwalt hatte der bei Köln lebenden Frau den Termin der Plädoyers genannt.

Auch die Kripo ist empört über den Prozeßausgang. Da seien einige Dinge schiefgelaufen, meint der ermittelnde Kommissar. So wurde zum Beispiel nie geklärt, woher die 1500 Mark stammen, die man bei A. gefunden hatte. Um Ersparnisse des soeben aus der Haft Entlassenen könne es sich kaum gehandelt haben. Klar ist nur, daß vom Konto der Eleonore F. größere Beträge abgebucht worden waren. Hatte sie möglicherweise ihrem Freund, Peter S., das Geld geliehen? Auch bezüglich des Messers, das eindeutig A. gehört hatte, gibt es Ungereimtheiten: Dieses konnte Peter S. nicht einmal identifizieren, geschweige denn, daß er die komplizierte Handhabung kannte.

Im übrigen sei die „Handschrift der Messerführung“ dieselbe gewesen, mit der Nirmela A., die Ehefrau des Angeklagten Mohamad A., getötet worden war. Diesen Punkten wurde nach Meinung des Kripobeamten im Prozeß zu wenig Bedeutung beigemessen. Ebenso wie der Staatsanwalt ist er der Überzeugung, daß Mohamad A. die Tat ausgeführt hat, nachdem er von Peter S. beauftragt wurde. So, wie es Peter S. am 11.6.94 ausgesagt hatte. Der Kripobeamte: „Wir waren nie so nahe an der Wahrheit wie im Juni 94.“ dah