Schließung trotz voller Auftragsbücher

■ Produktion des ehemaligen AEG-Kabelwerks wird verlagert / 200 Jobs abgebaut

Das Sterben in der Berliner Kabelwerkindustrie geht weiter. Wie die taz aus Senatskreisen erfuhr, soll das ehemalige AEG-Kabelwerk in Neukölln, eine Tochter des französischen Konzerns Alcatel, Ende des Jahres geschlossen werden. Für den 1. November sei dazu ein Gespräch zwischen Regierendem Bürgermeister und der Geschäftsführung des Kabelwerkes geplant, bestätigte die Senatskanzlei. Bis Ende des Jahres sollen die etwa zweihundert Beschäftigten „bis auf Null abgebaut“ sein, so der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Hans Dieter Wagner.

Der Pressesprecher des Wirtschaftssenators, Holger Hübner, wies Gerüchte zurück, die Senatsverwaltung habe von der Schließung gewußt und diese Nachricht im Wahlkampf bewußt zurückgehalten. In der Verwaltung seien bisher nur Befürchtungen der Belegschaft über eine drohende Schließung bekannt gewesen. „Es ist außerdem die Sache der Firma, eine Schließung bekanntzugeben, nicht die des Wirtschaftssenators“, so der Behördensprecher.

Wenn Aufsichtsrat und Vorstand die Schließung des Werkes abgesegnet haben, soll Anfang nächsten Jahres die Verlagerung nach Thüringen und Mönchen- Gladbach beginnen, sagt Betriebsrat Wagner. „Wir wurden bewußt kaputtgemacht“, schimpft Wagner. Seit Jahren habe „das Schwert der Werkschließung“ über den Beschäftigten gehangen. Die Produktion sei auf Billigprodukte heruntergefahren worden.

Nach Angaben von Wagner begründet die Firmenleitung ihre Entscheidung mit „wirtschaftlichen Gründen“. An der Auftragslage kann es jedoch nicht liegen. „Die Auftragsbücher sind voll“, so Wagner. Es sei vielmehr der „hohe Preisdruck“ durch Importe von Billigkabeln aus osteuropäischen Ländern und Portugal und Griechenland. „Die Schließung ist eine politische Entscheidung“, so Wagner, der die Unterstützung Berliner Kommunalpolitiker vermißt.

Nach Angaben von Wagner sind weitere Kabelwerke von der Schließung betroffen. Im nächsten Jahr werde das Felten-Gauillome- Kabelwerk im Wedding dichtgemacht. Auch das mit 500 Beschäftigten größte deutsche Werk der Alcatel in Duisburg werde 1996 die Produktion einstellen. Barbara Bollwahn