: Das Füllhorn
■ Aus den Rundfunkgebühren sollen noch bis zum Jahr 2000 die privaten Radio- und TV-Sender subventioniert werden
Noch ist die Diskussion um die Rundfunkgebühren im vollen Gange, aber schon jetzt steht fest, daß auch die Kommerzfunker bis zum Jahr 2000 ihren Anteil aus dem Topf bekommen werden. Und das geht so: In der Gründungsphase des Privatfernsehens mußten technische Installationen aufgebaut werden, damit die neuen Sender überhaupt verbreitet werden konnten. Und das wollten die Firmen nicht alles selber bezahlen.
Also wurde ein unverdächtiger Finanzier ausgeguckt: die Landesmedienanstalten erhielten von den Bundesländern unter anderem die Aufgabe, sich um die „Förderung der technischen Infrastruktur“ zu kümmern. Die Medienanstalten bekommen immerhin zwei Prozent der Rundfunkgebühren – 1993 waren das 167 Millionen Mark. Und weil das Geld für die Hauptaufgabe – Zulassung und Kontrolle von Privatsendern – kaum auszugeben war, gingen Riesenbatzen davon an Privatsender. Beispiel Baden-Württemberg: Bis Ende letzten Jahres flossen hier 70 Prozent des Etats der Medienanstalt in die „technische Infrastruktur“.
Ursprünglich hatten die Ministerpräsidenten in ihrem Staatsvertrag die Subventionen zeitlich begrenzt, sie sollten Ende 1995 auslaufen. Doch wenn sich die Länderchefs heute und morgen in Lübeck treffen, um an einem neuen Staatsvertrag zu basteln, dann ist die Entscheidung schon gefallen: bis Jahresende 2000 darf weitergezahlt werden.
Ob es verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist, Gebühren für Privatsender einzusetzen, halten Experten für mindestens zweifelhaft. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Erst eine Bürgerbeschwerde könnte die Karlsruher Richter zu einer Entscheidung zwingen. Bisher jammert erfolgreich die andere Seite, vor allem die lokalen und regionalen Kommerzradios. Ihnen fehle das Geld zur Umrüstung auf das digitale System DAB. Und die Landesrundfunkkommission von NRW sprang ihnen prompt mit einer Resolution bei: 44 Lokalsender zwischen Rhein und Weser seien zu arm, um die Investitionen selbst vorzunehmen. Theo Wolsing, der für den Verbraucherverband in der Kommission sitzt, blieb mit seiner Kritik („Die Veranstalter streichen doch hinterher auch die Gewinne ein“) in der Minderheit.
Obwohl er von einem unterstützt wird, der eigentlich wissen muß: Helmut G. Bauer ist Geschäftsführer von „Radio NRW“, dem Dachsender für die Lokalradios an Rhein und Ruhr. Bauer ruft nicht nach Zuschüssen, sondern hat den digitalen Rundfunk DAB als zusätzliche Einnahmequelle ausgemacht, er will mit den technischen Möglichkeiten des „Datenrundfunks“ neuartige Werbeformen ausprobieren. Und die Gewinne von „Radio NRW“ werden schließlich zu 85 Prozent an die „notleidenden“ Lokalradios ausgeschüttet, etwa 30 Millionen Mark pro Jahr.
Trotzdem haben die Ministerpräsidenten klammheimlich im Frühjahr den Griff ins Zuschauer- und Zuhörerportemonnaie verlängert. Dagegen war ursprünglich vor allem Hessen, das die Subventionen aus den zwei Prozent Gebühren im eigenen Land 1994 abgeschafft hat. Doch die anderen Bundesländer haben den Hessen den Schneid abgekauft. Als Ausgleich dürfen sie künftig das Füllhorn auch über ihre Schützlinge ausschütten: die nichtkommerziellen Lokalradios, denen Einnahmen aus Werbesports versagt sind.
Möglicherweise wird aber allen noch ein Strich durch die Rechnung gemacht – dann nämlich, wenn sich die Mahnung der Landesrechnungshöfe bei den Ministerpräsidenten durchsetzt, die Medienanstalten knapper zu halten. In Baden-Württemberg hat der Landtag schon von sich aus das Budget der Medienanstalt auf ein Prozent der Gebühren halbiert, weil die ihren Etat bei weitem nicht benötige. Die andere Hälfte geht jetzt an die öffentlich-rechtlichen Sender, die das Geld – nach dem Vorbild NRW – für die Filmförderung ausgeben müssen.
Kein Wunder, das da der Interessenverband der privaten Veranstalter (VPRT) schäumt: Er sieht angesichts der Digitalisierung sogar „erhöhte Notwendigkeit“, die neue Technik zu subventionieren. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten könnten ihre Technikkosten schließlich mit Gebührenerhöhungen ausgleichen.
Dabei unterschlagen die Kommerzfunker, daß ARD und ZDF ohnehin einen guten Teil ihrer Etats in die Erforschung und Entwicklung neuer Rundfunktechnologien stecken. Das Breitbildfernsehen „PAL-plus“ und die digitalen Hörfunksysteme DAB und ADR sowie neuartige Verkehrsfunksysteme sind maßgeblich von den Öffentlich-Rechtlichen mitfinanziert worden. Entwicklungsbeiträge der kommerziellen Sender sind, anders als etwa in England, hierzulande nicht bekanntgeworden. Jürgen Bischoff
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