piwik no script img

Schmutzige Wäsche

■ Was sich liebt, das neckt sich. Oder geht zu Thomas Aigner in die Show für Ehepaare "Das ist Liebe" (16.05 Uhr, ZDF)

Man kennt das. Da sitzt man in trauter Runde beisammen und erzählt sich – in Ermangelung besserer Small-talk-Themen, lustige „Kenn' ich auch“-Geschichten: was er für seltsame Einschlafgewohnheiten hat, daß sie sich immer über seine Pedanterie aufregt; warum er immer vor Angst fast stirbt, wenn sie sich hinters Steuer setzt, und wie das eigentlich damals im Urlaub war, als er sich so lange mit allen Nachbarn anlegte, bis man schließlich den Campingplatz verlassen mußte. Und plötzlich wird aus dem spielerischen Geplänkel peinlicher Ernst, scheren die Gastgeber mutwillig aus der harmonischen Reihe und beharken sich in aller Öffentlichkeit mit den übelsten Vorwürfen: „Stimmt gar nicht“, ruft er dann, „das kommt doch nur daher, weil du nicht für fünf Pfennige Ordnung halten kannst“, und sie plaudert, von Rache getrieben, aus dem Nähkästchen, und so erfahren wir, was wir gar nicht wissen wollten: daß er nämlich Abend für Abend minutiös das Laken glattstreichen muß, bevor er sich zur Ruhe betten kann. Und daß ihre Mutter einmal entsetzt die Wohnung verließ, weil sie das Chaos nicht mehr aushielt. An dieser Stelle verabschieden sich alle hüstelnd von den Gastgebern, die das längst nicht mehr mitbekommen, weil er längst bei ihren Zicken im Bett angelangt ist.

Auch von Renate und Vasily erfahren wir so einiges: Angeblich (so sagt er) stapeln sich in ihrem Kühlschrank die verschimmelten Leberwurstreste, bis keine saubere Tupperdose mehr übrig ist. Und er (so jedenfalls sie) soll sogar schon in der Mülltonne nach einer Tankquittung gesucht haben, die er nicht einmal von der Steuer absetzen kann. „Ordnung ist das halbe Leben!“ rechtfertigt er sich da sofort, und daß es eben ums Prinzip gehe. Dann wirft sie ihm vor, ein eitler Gockel zu sein. Und so geht es Schlag auf Schlag.

Aber anders als im wirklichen Leben steht hier niemand hüstelnd auf. Denn diesmal haben wir extra eingeschaltet, um uns das, was man normalerweise gar nicht wissen will, nun doch einmal anzusehen. „Das ist Liebe“ heißt diese Show, in der sich alles darum dreht, daß auch das Streiten zu einer guten Ehe gehört.

Wer hier auftritt, hat sich seine Beispiele zuvor sorgsam zurechtgelegt. Die Rollen sind verteilt: Sie sitzt links, er rechts. In der Mitte Showmatador Thomas Aigner, genannt „Anwalt der Liebe“. Wer hier auftritt, weiß also, was er zu tun hat. Und tut es. Er weiß auch, daß man bei diesem Disput letztlich nur gewinnen kann. Denn am Ende winkt den Streithähnen nicht nur die Versöhnung vor laufender Kamera, sondern auch eine Traumreise auf Kosten des Senders. Ob er oder sie gewinnt, entscheidet zwar eine Publikumsjury, aber was soll's? Die Fahrt ist ja sowieso für zwei Personen.

Und doch hat der Preis seinen Preis. Denn bei aller Inszenierung wissen wir am Ende von Renate und Vasily doch so einiges, das wir vielleicht gar nicht wissen wollten: Daß er nämlich wirklich pedantisch bis ins Manische ist und daß sie darunter wohl wirklich so gelegentlich zu leiden hat. „Du willst immer cool sein, du bist total überheblich“, ruft sie ihm zu. Er strafft seinen Rücken und zischt zurück: „Was heißt hier ,wollen‘? Ich bin cool!“

Wie lebt es sich wohl mit einem Mann, der seine Hemdkragen (so jedenfalls sie) mit der Lupe nach Schmutzrändern absucht? Und wie lebt es sich damit, daß der eigene Gatte vor einem Millionenpublikum gesagt hat: „Meine Frau ist schlampig?“ Und was steckt eigentlich dahinter, wenn sie sagt, daß er ein „typischer Grieche“ sei und daß sie im Urlaub bei seiner Familie immer die brave Ehefrau mimen muß, die sich, still über eine Handarbeit gebeugt, in die Ecke verkrümelt?

Es gehört zu den Errungenschaften des modernen Fernsehens, daß wir nun von unseren Mitbürgern Dinge erfahren können, die man sich früher bestenfalls hinter vorgehaltener Hand erzählte. die Daily-Talks präsentieren uns seit Jahren ein Personal, das sich freimütig zu seinen Ticks und Schwächen, Problemen und Abgründen äußert. Erst neulich hatte Jürgen Fliege das Thema „Zwangshandlungen“ auf dem Programm. Vasily hätte mit seinem Ordnungsfimmel (die Tankquittung!) da ganz gut hingepaßt. Er ist dann aber doch lieber zu Thomas Aigner ins ZDF gegangen. Nicht nur, weil es hier mehr zu gewinnen als zu verlieren gibt, sondern auch, weil der Streit natürlich doch gar keiner ist. Je wüster ihre Beschimpfungen, desto anerkennender klatscht er in die Hände, fällt unmerklich in die Rolle des beobachtenden Publikums. „Gut macht du deine Sache, bravo!“ soll das heißen. „Diese Reise haben wir im Sack.“

Das ZDF hat die beiden nicht in die Ägäis geschickt, sondern gen Indischen Ozean. Man muß das am Ende als sensible Geste loben – nach allem, was wir bis dahin gehört hatten. Klaudia Brunst

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen