piwik no script img

Das PortraitDer Comandante

■ Betr.: Schafik Jorge Handal

Er war der erste Vorsitzende der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) in El Salvador – die Funktion gab es erst, seit das Friedensabkommen vom 16. Januar 1992 die Legalisierung der Guerilla ermöglichte. Vielleicht ist es seiner Autorität zu verdanken, daß die aus fünf Organisationen bestehende ehemalige Guerillafront in der Legalität nicht schon früher zerfallen ist.

Schafik Handal gehörte zu jenen Comandantes, denen der Sprung ins legale Leben am wenigsten schwerfiel. Zwar hatte er vierzig Jahre, mehr als zwei Drittel seines Lebens, im Untergrund gelebt, doch war er immer schon mehr ein Politiker als ein Militärführer.

Mit 20 trat der Sproß einer palästinensischstämmigen Kaufmannsfamilie 1951 der illegalen KP bei und war unter den ersten, die verhaftet wurden, als sie den Namen der verbotenen Partei an die Wände pinselten. Vier Jahre Jurastudium in Chile brachten ihn mit der größten kommunistischen Partei des Kontinents in Kontakt: Der junge Student lernte Salvador Allende, Pablo Neruda und andere Größen aus dem linken Umfeld kennen. Eine Erfahrung, die ihn aufwertete: Bald nach seiner Rückkehr wurde er ins Zentralkomitee der PCS aufgenommen.

Trotz des Sogs der kubanischen Revolution vertrat die Parteiführung damals strikt die Legalität. Unter allen möglichen Decknamen beteiligte sich die salvadorianische KP an allen Wahlen und war 1972 mit Christdemokraten und Sozialdemokraten sogar an einer siegreichen Allianz beteiligt. Ohne Erfolg: Der unterlegene Kandidat des Militärregimes wurde per Wahlbetrug installiert – ein Wendepunkt.

Schafik Jorge Handal, El Salvadors revolutionäre Autorität Foto: Jens Holst

Unter seinem Vorsitz ab 1973 entschloß sich die Partei „spät, aber noch rechtzeitig“, so Handal, zum bewaffneten Kampf. Er selbst mußte sich zwar an der Waffe ausbilden lassen, verbrachte aber nur wenige Monate an der Kriegsfront: Sein Wohnsitz während der elf Kriegsjahre war Mexiko, sein Arbeitsplatz der Verhandlungstisch.

Nicht zuletzt seinem politischen Geschick ist es zu danken, daß die FMLN bei den Verhandlungen in den letzten Monaten des Jahres 1991 viele ihrer alten Demokratisierungsforderungen durchsetzen konnte. Seine Popularität scheint Schafik Handal dennoch überschätzt zu haben: Seine Kandidatur als Bürgermeister von San Salvador scheiterte im letzten Jahr kläglich. Dieser Tage besucht Schafik Handal die Bundesrepublik. Ralf Leonhard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen