Interview
: Visueller Schmutz

■ Design-Papst Dieter Rams über den Schnickschnack in unseren Regalen

Dieter Rams, 62, gilt als der einzige deutsche Nachkriegs-Designer von Rang. Fast 40 Jahre lang leitete er die Abteilung für Produkt-Design bei „Braun“. Sein nüchternes, streng funktionales Design gehört heute zu den Design-Klassikern. Berühmtestes Stück der Rams-Linie: der „Schneewittchensarg“ von 1956, eine Phono-Kombination in weißem Kunststoff-Gehäuse mit transparentem Deckel, bei der alle Funktionselemente konsequent von oben zu bedienen waren. Heute ist Rams Präsident beim „Rat für Formgebung“ – und erbitterter Gegner postmodernen Zierrats. Am Wochenende war Rams zu Gast bei der DDV-Tagung in Bremen.

taz: Was ist denn gewonnen, wenn ich bei meinem „Alessi“-Toaster die bunten Griffe abschraube?

Dieter Rams: Den sollte man sich gar nicht erst ins Haus holen. Wissen Sie, wir haben diesen Toaster bei uns mal durch die Test-Abteilung laufen lassen. Er funktionierte einfach nicht, es funktionierte gar nichts an dem Ding. Genau wie die schicke Zitronenpresse von Philippe Starck.

Kann es nicht auch eine Funktion sein, daß solche formschönen Objekte als Statussymbol dienen?

Ich will ja nicht alles gleichmachen. Aber Dinge, mit denen ich mich umgebe, sollten technisch funktionieren. Jemand, der so eine Zitronenpresse kauft, der erwirbt einfach etwas nutzloses.

Sie beklagen die „Kaufreiz-Ästhetik“ heutigen Designs. Aber das will die Mehrheit der Kunden doch: hübsch gestaltete, bunte Geschichten.

Das wage ich zu bezweifeln. Aber natürlich müßte man die Konsumenten besser informieren. Auch das wäre eine Aufgabe für den Designerverband und die Designförderung. Das ist natürlich nicht so spektakulär wie ein „Alessi“-Toaster. Man muß dagegen Dinge machen, die einfach besser sind und eine höhere Selbsterklärungs-Qualität haben.

Selbsterklärungs-Qualität? Was meinen Sie damit?

Ein Beispiel: Ich habe ein elektronisches „Sharp“-Notebook geschenkt bekommen. Und dazu sooo ein dickes Buch – die Bedienungsanleitung. Das ist doch Unsinn. Die Bedienungselemente müssen sich möglichst von selbst erklären. Oder können Sie Ihren Videorecorder wirklich bedienen, mit allen Funktionen?

Weg mit den vielen, kleinen Knöpfen!

Genau: Die Dinge müssen wieder übersichtlich werden.

Sie plädieren außerdem für Produktvermeidung und ökologisches Design. Das Problem liegt doch aber nicht so sehr bei den Designern, sondern bei den Verbrauchern: Man bringt sein Altpapier zum Sammelcontainer, aber Recycling-Produkte kauft man lieber nicht.

Aber es zeigt, daß sich was im Bewußtsein der Leute bewegt. Das müssen wir unterstützen. Dazu gehört übrigens auch, daß wir die Sammelstellen selbst besser gestalten. Diese grünen Tonnen und gelben Säcke – das ist doch auch visuelle Umweltverschmutzung. Fragen: Thomas Wolff