■ Italienische Verhältnisse: Kaos statt Choalition
Politik hat mit der SPD wieder Unterhaltungswert. Nachdem uns in der Vorurnenzeit eine versteppte Streitkultur und parteipolitischer Gleichschritt langweilten sowie amerikanische Verhältnisse beschert wurden, kann nun wieder nach Herzenslust spekuliert werden. Es geht zwar um nichts anderes als vorher, aber das mit voller Kraft und höchster Risikobereitschaft. Welche Köpfe rollen und wie weit? Wer pokert am höchsten und wer fällt am weichsten? Und – für die B-Note – wer hat die dicksten Kullertränen? Nach dem lauen Wahlkampflüftchen können wir uns nun tatsächlich auf einen stürmischen Herbst freuen – einschließlich jener politisch motivierten Schienbeintritte, ohne die eine wehrhafte Demokratie so zahm wäre wie ein Pfälzer ohne Fleisch auf den Rippen.
Wie werden wir partizipieren! Politikverdrossenheit? Pah! Es geht um Visionen! Das Parlament wird ernst genommen als Ort tatkräftiger politischer Auseinandersetzung. Jeder prügelt jeden – bis es eine Mehrheit gibt, und sei es nur die der Verlierer. Und wie es in Italien wohl Mode ist, kommt kurz vor dem Ende der Saalschlacht die Staatsanwaltschaft und verhaftet den Regimechef wegen seiner Unterweltkontakte. Sein Hauptkontrahent, ein ehemaliger Polizeisenator und Ex-Sozialdemokrat muß sich schließlich als Anti-Mafia-Jäger die Sporen für ein späteres Kabinett unabhängiger Technokraten verdienen.
Ach, wird das schön! Selbst die bisher auf großem Koalitionsniveau liegende Abendschau wird wieder höhere Einschaltquoten einfahren, und die privaten Sender locken die Kids mit Parlaments- Splatter von der Straße. Und bald schon wird nichts mehr sein, wie es war. Dann geht es nicht mehr um die Frage, ob es Neuwahlen gibt, sondern wie oft. Wer die gewinnt, ist egal. Unter italienischen Verhältnissen gibt es nur einen Sieger: das von politischen Inszenierungen alter Schule bisher arg gebeutelte Publikum. Uwe Rada
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