Einbürgerung von AusländerInnen erleichtern

■ Sechs Bundesländer fordern eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Hannover (taz) – „Seit Jahren verschleppt wird die grundlegende Neuregelung des Staatsangehörigkeitsrechts“, so sehen es die SPD- regierten Länder in einem Entschließungsantrag für den Bundesrat, der heute in Kiel der Öffentlichkeit präsentiert wird. Einmal mehr will die sozialdemokratische Bundesratsmehrheit im November die Bundesregierung auffordern, „ihre Zusagen zu einer umfassenden Staatsangehörigkeitsnovelle einzulösen“. Denn deren Notwendigkeit sei unbestritten.

In der Tat ist die Reform, die die Länder Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen- Anhalt und nicht zuletzt Schleswig-Holstein nun erneut einfordern wollen, zumindest dem Namen nach auch Programm der Bundesregierung: Eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrecht versprachen schon die Bonner Regierungserklärungen der Jahre 1990 und 1994. Selbst im sogenannten Asylkompromiß brachte die Koalition zur Abschaffung des Asylrechts Ende 1992 unter der Rubrik Staatsangehörigkeitsrecht die „Erleichterung der Einbürgerung“ zu Papier. Und hatten nicht im Jahre 1993 nach den Morden von Solingen auch zahlreiche Unionspolitiker, nicht zuletzt der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, die Zulassung einer doppelten Staatsbürgerschaft für Einwanderer gefordert?

Der grundlegende Satz der Bundesratsresolution, die in abgewandelter Form auch von der Bonner SPD in den Bundestag eingebracht werden soll, kommt im trockensten Juristendeutsch daher: „Im Interesse einer möglichst breiten Basis der Volkssouveränität muß eine weitgehende Kongruenz zwischen Wohnbevölkerung und Staatsvolk angestrebt werden.“ Dies setze eine volle staatsangehörigkeitsrechtliche Integration des auf Dauer in der Bundesrepublik lebenden ausländischen Bevölkerungsteils voraus. Es geht einmal mehr um das Demokratiedefizit des Einwanderungslandes Bundesrepublik, in dem acht Prozent der Wohnbevölkerung zwar von Bonn aus regiert werden, deutsche Gesetze zu befolgen und Steuern zu zahlen haben, als Ausländer aber bis heute kaum politische Mitwirkungsrechte haben.

Die wichtigste Erleichterung zur Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, die die SPD-Länder nun erneut vorschlagen, trägt der Tatsache Rechnung, daß eine periodisch ausländerfeindliche Bundesrepublik von den Einwanderern nicht die Abnabelung vom Herkunftsland verlangen kann: Der Anspruch auf Einbürgerung wird „nicht vom Verlust der bisherigen Staatsangehörig abhängig gemacht“, umschreibt die Resolution die Zulassung einer doppelten Staatsbürgerschaft. Die Frist, nach der ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung besteht bei rechtmäßigem Aufenthalt, Aufenthaltserlaubnis und Straffreiheit , wollen die SPD-Länder auf acht Jahre verkürzen. Besonders erleichtern will die SPD die Einbürgerung von Ehegatten Deutscher – sie sollen nach zwei Jahren Ehe und drei Jahren rechtmäßigem Aufenthalt den Rechtsanspruch erwerben – und auch die Einbürgerung minderjähriger Ausländer: Wenn diese fünf Jahre in der BRD bei einem Elternteil gelebt haben, das eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hat, sollen sie bereits den Anspruch haben. Generell schon nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt soll eine Ermessenseinbürgerung möglich sein.

Die rot-grün regierten Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen durften bisher an der SPD-Bundesratsinitiative nicht mitwirken: Zu jener von den Grünen geforderten grundlegenden Reform des Staatsbürgerschaftrechts, die per se zur Übereinstimmung von Wohnbevölkerung und wahlberechtigtem Staatsvolk führen würde, haben sich die sechs SPD- Länder nicht entschließen können. Nur Kindern, bei denen bereits ein Elternteil in Deutschland geboren ist, sollen kraft Gesetzes mit der Geburt automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Dabei sollen Doppelstaatsbürgerschaften möglich sein. Für ihre Bundesratsinitiative haben die Sozialdemokraten bewußt die Form einer Resolution gewählt: „Wir sind zu Verhandlungen mit der Bundesregierung bereit, deswegen haben wir auch keinen in allen Details ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag vorgelegt“, lautet die eindeutige Auskunft des Kieler Innenministeriums. Die Unions- Pläne zu einer Kinderstaatsbürgerschaft, die „erklärtermaßen keine Staatsangehörigkeit sein soll“, sondern nur ein ausländerrechtlicher Status, lehnen die SPD-Länder klar ab. „Diese Kinderstaatsangehörigkeit vermeidet höchsten Visaprobleme bei Klassenfahrten und läßt keine doppelte Staatsbürgerschaft zu, mit achtzehn haben die Betroffenen dann doch wieder zu entscheiden, ob sie die deutsche oder die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern aufgeben wollen“, meint der Sprecher des Kieler Innenministers. Jürgen Voges