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Kleiner Fehler mit großen Folgen

■ In Sierra Leone wird der Asylbewerber Issaka K. steckbrieflich gesucht / In Bremen sitzt er in Abschiebehaft, weil er vergaß, sich umzumelden

Issaka K. beging einen folgenschweren Fehler: Der junge Asylbewerber aus Sierra Leone vergaß, das Asyl-Bundesamt von seiner „Umlegung“ von dem einem Bremer Asylschiff St. Hallvard, auf ein anderes, die Embrica Marcel, zu benachrichtigen. Weil ihn deshalb die Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt nicht erreichte, konnte er die gesetzliche Einspruchsfrist gegen den Bescheid nicht nutzen. Seit Anfang Oktober sitzt Issaka K. nun in Bremer Abschiebehaft – ohne je die Chance gehabt zu haben, gegen die Asylablehnung Rechtsmittel vor dem Verwaltungsgericht einzulegen. „Wir prüfen derzeit, ob Herr K. nach Sierra Leone abgeschoben werden kann“, bestätigt Merve Pagenhardt, die Sprecherin des Innensenators. Soweit die Kurzfassung einer Geschichte, die in Wirklichkeit viel komplizierter ist.

Als Issaka K. im November letzten Jahres nach Deutschland floh, wurde er in Sierra Leone steckbrieflich gesucht. Aber erst seit Anfang September dieses Jahres liegt dem Anwalt von Issaka K. ein Zeitungsausriß vor, der diese Angaben des Asylbewerbers auch bestätigt. Neben dem Fahndungsfoto von Issaka K. erhebt die Polizei da den Vorwurf, er habe mit den Rebellen im bürgerkriegszerissenen Sierra Leone kollaboriert. Thomas Holle, der betreuende Rechtsreferendar in der Anwaltskanzlei Wieloch-Thomann, an die Herr K. sich wendete, hat „keine Zeifel, daß der Mann auf dem Zeitungsfoto und Issaka K. ein und dieselbe Person ist.“

Allerdings: als Issaka K. seinen Asylantrag stellte, konnte er seine Fluchtgründe so noch nicht belegen – und bis der Zeitungsausriß in Deutschland endlich ankam, war sein Asylverfahren schon abgeschlossen. Schneller als üblich. Mangels Einspruchmöglichkeiten. Die vergessene Ummeldung ist schuld.

Nur ein Richter hätte da noch helfen können. Die „Wiedereinsetzung des Verfahrens“ hätte Issaka K. zurück in den Instanzenweg vor das Verwaltungsgericht katapultiert. „In den meisten Fällen wird das auch gemacht“, sagt Michaela von Freyhold von der Bremer Flüchtlingsinitiative. „Vor allem, wenn wie bei Issaka K. der Verdacht besteht, es könne sich um ein Versehen in der Behörde handeln“.

Zwar sei wahr, daß Issaka K. sich persönlich beim Bundesamt hätte ummelden müssen – doch die Bremer Verwaltungspraxis gehe längst andere Wege. „Kein Flüchtling meldet sich persönlich um, wenn er von der zentralen Aufnahme (ZAST) auf der St. Hallvard auf die Embrica Marcel zieht.“ Das werde direkt zwischen ZAST und Bundesamt erledigt. „Aber da ist wohl was verschlampt worden“, so die Professorin von Freyhold.

Ulrike Bremermann, Leiterin der Bremer Außenstelle des Asyl-Bundesamtes, bestätigt das behördeninterne Ummeldeverfahren. „Wir haben das eingeführt, weil es vielen Asylbewerbern schwer fällt, die unterschiedlichen Behörden überhaupt auseinanderzuhalten.“ Sie betont allerdings auch, daß sich der Asylbewerber im Falle eines Fehlers nicht auf die Behörde beziehen könne. Einzig der Asylbewerber müsse „bei Fehlverhalten“, wie der versäumten Meldung etwa, die Konsequenzen tragen.

Vor den Konsequenzen fürchtet sich Issaka K. Denn obwohl er einen Asylfolgeantrag gestellt hat – das ist seine einzige Chance, noch zu einem Asylverfahren zu kommen –, sitzt er in Haft. „Inzwischen hat man ihn nicht nur der Botschaft von Sierra Leone vorgeführt, sondern auch der von Nigeria“, bestätigt Rechtsreferendar Holle. „Dabei war die Nationalität von Herrn K. nie strittig.“

Seit Mittwoch liegt der Asylfolgeantrag von Issaka K. nun in der Bremer Außenstelle des Asyl-Bundesamtes. Über ein „schwebendes Verfahren“ kann Ulrike Bremermann jedoch keine Auskunft geben – und also bleibt vorerst ungeklärt, ob die Ummeldung, die Issaka K. nach Ablauf aller Fristen in die Abschiebehaft brachte, in der Behörde verloren ging. „Falls sich herausstellt, daß der Fehler bei uns lag, können wir uns nur entschuldigen“, sagt ZAST-Mitarbeiter Wolfgang Scheibler dazu. „Wir sind auch nur Menschen.“

Issaka K. sitzt derweil in Haft, „obwohl ihm selbst der Richter versichert hatte, daß nach Sierra Leone nicht abgeschoben wird“, sagen MitarbeiterInnen des Anti-Rassismus-Büros. Daß Issaka K. der nigerianischen Botschaft vorgeführt wurde, hält auch Michaela von Freyhold für „reine Schikane“. Zur Erklärung der Innenbehörde, „daß es einen Hinweis von der Botschaft Sierra Leones gab, Herr K. könnte Nigerianer sein“, sagt sie: „Ohne solche Aktivitäten könnte das Ausländeramt die Inhaftierung wohl schwer begründen.“ Selbst Ulrike Bremermann, die Chefin des hiesigen Asyl-Bundesamtes, rätselt: „Warum die das machen...?“

ede

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