Ein Zaun quer durchs Naturschutzgebiet

■ Das Hafenressort plante einen Coup gegen den Naturschutz – in letzter Sekunde verhindert

Das war knapp: In allerletzter Sekunde ist in der letzten Woche ein Coup des Hafensenators gegen den Naturschutz verhindert worden. Das Haus Beckmeyer hatte nämlich vor, einen Zaun mitten durch ein geplantes Naturschutzgebiet zu ziehen. Hätte nicht der BUND vorab Wind von der Sache bekommen und Alarm geschlagen – die Hafendeputierten hätten den Plan in der letzten Woche aus Unwissenheit abgesegnet, und eines der wenigen grünen Kleinode Bremerhavens wäre perdu gewesen.

Ein Naturschutzgebiet, nicht gerade da, wo man eines vermutet: Eingeklemmt zwischen dem Freihafen und der Stadt liegt der Weserportsee, eine der beiden letzten ökologisch wertvollen Bremerhavener Wasserflächen. Das Ufer ist von Röhricht gesäumt, Bruchwald steht in Sichtweite zu den Hafenanlagen, ein Zufluchtsort für reichlich Vögel und Amphibien. Selbst Orchideen wachsen am See. Schon die Ampel wollte den See zum Naturschutzgebiet erklären, und die Große Koalition will das auch. „Unter der Voraussetzung, daß keine Behinderung der gewerblichen Nutzung des Gebietes der Carl-Schurz-Kaserne erfolgt“, heißt es in der Vereinbarung der Großen Koalition.

Offensichtlich nicht klar genug ausgedrückt, denn das Haus Beckmeyer schert sich nicht weiter um. Seit Monaten plant das Hafenressort die Verlegung des Zollzaunes um den Freihafen. Der soll nämlich im Zuge der Umstrukturierungen des Hafengebiets größer werden und damit an das geplante Naturschutzgebiet angrenzen. Nun hatte das Hafenressort die Idee, Zaun zu sparen und statt die neue Grenze an der Grünzone entlang zu befestigen, den Zaun von zwei Seiten bis ins Wasser zu führen. Wer schmuggeln will, soll schwimmen. Dumm nur, daß das damit das Naturschutzgebiet zweigeteilt würde. Die Fische könnten noch hin und herschwimmen, die Landtiere könnten sich nur noch durch die Zaunmaschen zuwinken. Nicht gerade das, was man unter einem Naturschutzgebiet versteht.

Mit der Zollverwaltung des Bundes war der Plan schon abgesprochen, die zuständige Naturschutzbehörde allerdings wurde erst vor rund zehn Tagen eingeschaltet. Und die war selbstredend gegen die Planungen. Das allerdings hinderte das Hafenressort keineswegs daran, Fakten schaffen zu wollen. In der letzten Woche hatten die Hafendeputierten eine trickreiche Vorlage auf dem Sitzungstisch. Nun müsse schnell der Auftrag an eine Zaunfirma rausgehen. Nach Sichtung der Angebote solle der Spaß rund eine halbe Million Mark kosten. Dem sollten die Deputierten zustimmen – ohne auch nur zu ahnen, wo der Zaun längsgehen soll, ohne je eine Skizze gesehen zu haben, geschweige denn von der Ressortspitze unterrichtet worden zu sein, daß da möglicherweise ein Konflikt mit dem Umweltsenator und den Umweltverbänden lauert. Von der Koalitionsvereinbarung ganz zu schweigen.

Dabei hatte sich der Streit schon schriftlich angekündigt. Martin Rode vom BUND hatte Wind von der Sache bekommen und einen Brief an Hinrich Gravert geschicht. Der ist Chef des Hansestadt Bremischen Amtes in Bremerheven, der Statthalterbehörde des Hafensenators. Er solle den Plan sein lassen, bat Rode den Amtmann, sonst werde der BUND notfalls die Gerichte bemühen. Rode: „Die wollten schnell das Geld lockermachen und den Umweltsenator dann zu einer Zustimmung zwingen.“ Der sollte dann die Verantwortung dafür aufs Auge bekommen, daß die naturschützende Zaunvariante angeblich 300.000 Mark teurer würde. „Eine ganz miese Tour auf Kosten des Naturschutzes.“

Rodes Brief geriet an die Grünen, und der Grüne Hafendeputierte Manfred Schramm sprach das Problem bei der Deputationssitzung an. Die Reaktion von Uwe Beckmeyer: Er zog die Vorlage sofort zurück. Trick mißlungen. Und am Ende blieben nur faule Ausreden: Daß die Zustimmung der Naturschutzbehörde gefehlt habe, „wir haben so viel zu tun und auch so wenig Personal“, meint Hinricht Gravert. Und außerdem: „Die Zaunfirma hätte schonmal anfangen können. So kostet alles viel mehr Geld. Man weiß ja, wenn man mit Naturschützern verhandelt, das kann dauern.“ Die waren erst vorletzte Woche überhaupt eingeweiht worden. Frage: „Seit wann plant denn das Hafenressort? Gravert: „Seit Anfang des Jahres.“ J.G.