Erst aus elf Metern war Lok zu bezwingen

■ Im Viertelfinale des DFB-Pokals trotzte Lok Altmark/Stendal dem Bundesligisten aus Leverkusen ein 0:0 ab, verlor aber im Elfmeterschießen mit 4:5

Stendal (taz) – Plötzlich war Stille. Sven Bergen hatte seinen Elfmeter verschossen, und das war's. Kein Jubel beim Bundesligisten Leverkusen über den Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale, kein Entsetzen bei Stendal. Nur Stille. Sekunden vorher war noch viel zu sagen gewesen.

Insbesondere dem Fußballtrainer Erich Ribbeck hatten die Altmärker gestern nachmittag etwas mitzuteilen. Ob er wisse, nun wisse, endlich wisse, wo Stendal liegt, fragten sie den am Spielfeldrand immer ärgerlicher werdenden Leverkusener Trainer ohne Unterlaß. Ribbeck (58) hatte sich im Vorfeld gewisse geographische Mängel nachweisen lassen, und das verzieh man ihm nicht. Nun ist der joviale Erich, so steht sehr zu vermuten, nicht eigentlich und nicht persönlich gemeint. Alle sind gemeint. Erich traf nur das Schicksal, im Altmärkischen vorstellig werden zu müssen. Es braucht keinen zu wundern, daß die Siege der vergangenen Monate über Wolfsburg, Hertha und Mannheim dort längst zur „oral history“ gehören. Gern und routiniert werden sie aufgegriffen, es werden Parallelen konstruiert und Hoffnungen geschöpft.

Es soll alles so sein wie in der richtig schönen Welt. Also schepperte blöde „Conquest Of Paradise“ aus den überforderten Lautsprechern, als Trainer Klaus Urbanczyk jeden der Seinen, mit einem Extraklaps angespornt, in die Arena schickte, die sich angenehm unaufgeregt „Im Hölzchen“ nennt.

Was auf dem Spielfeld passierte an diesem Reformationstag, passierte getreu Trainer Klaus Urbanczyks These, man habe „keine Chance“, Komma, Pause, „eigentlich“. Während Leverkusen in bewährter Ribbeckscher Simplizität einzig bestrebt schien, die Lok sich heiß- und schließlich müde laufen zu lassen, mühte sich der Regionalliga-Sechste nach verfügbaren Kräften. So bissig, so existentiell, daß dagegen keine Pillen halfen. Prima anzusehen war es stets, wenn Stürmer Rainer Wiedemann (29) die Lok antrieb. Der Mittelstürmer, groß und kräftig, gewann seine Kopfbälle im Mittelfeld, jagte die Leverkusener bis ins letzte Eck, und war mit sehr guter Ballannahme ein ums andere Mal dabei, einen Angriff der Lok zumindest anzuarbeiten. Bayers Rudi Völler hatte früh (5.) das Hölzchen getroffen, Sergio auf Torwart Pietruska geköpft (43.), Schuster aber hinkte matt und bisweilen unkonzentriert zwischen den Strafräumen hin und her.

Als Urbanczyk in der Pause an die Seinen appellierte, „die Scheu vor den Namen abzulegen“, wurde Lok stärker. Stendal flankte fortan regelmäßig vor Heinens Tor und mit jeder Minute, die verging, machten sich kollektive Erleichterung sowie Erstaunen breit. Als Fach allein vor Pietruska auftauchte, doch der ihn stoppte (88.), war's wie stets. Zum fünften Mal Verlängerung, dann zum vierten Mal Elfmeterschießen. Und Bergens Fehlschuß, den sein Trainer bloß „schade“ fand. „Wir wollen nicht wieder davon anfangen, wo Stendal liegt“, sagte Klaus Urbanczyk, als alles vorbei war. „Ribbeck war da, und wir haben heute das Pech gehabt, das in den letzten Runden die anderen hatten.“

Tatsächlich wird etwas bleiben: Neue Sponsoren, just auf die Lok gesprungen, hat man klugerweise langfristig gebunden. Vom gestrigen Spiel soll ein Überschuß von einer halben Million Mark bleiben. In der Kleinstadt mit über 20 Prozent Arbeitslosen kann zumindest die Regionalliga-Lok weiterdampfen. Peter Unfried