Logik der Atommächte

■ Nukleare Zusammenarbeit zwischen Paris und London

Margaret Thatcher stand für Großbritanniens eindeutige atlantische Präferenz. François Mitterrand personifizierte Frankreichs europäische Einbettung. Mit dem Abgang der beiden Politiker haben sich die Kräfteverhältnisse in beiden Ländern geändert. Der Weg für eine Neubestimmung ihrer Außenpolitik ist offen.

Die Nachfolger Jacques Chirac und John Major haben ganz unterschiedliche Motive, aufeinander zuzugehen. Der innenpolitisch bedrängte Brite braucht europäische Partner, mit denen er zusammenarbeiten kann, ohne sich der Maastricht-Dynamik unterwerfen zu müssen. Der weltweit bedrängte Franzose braucht Unterstützung für seine Atomtests und für den Ausbau seines Einflusses in Europa. Briten und Franzosen haben trotz ihrer uralten gegenseitigen Ressentiments zahlreiche Gemeinsamkeiten: In beiden Ländern beherrscht nationalstaatliches Denken die Politik. Beide sitzen als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat. Sie sind die einzigen Atommächte in Westeuropa und befürchten, ohne das laut zu sagen, ein Erstarken Deutschlands.

Die jetzt beschlossene nukleare Zusammenarbeit spiegelt diese Gemeinsamkeiten wider – und bleibt zugleich dem alten Denken verhaftet: der Notwendigkeit einer nuklearen Abschreckung. Die Koordinaten der europäischen Politik ändern sich durch die jetzt offiziell gemachte nukleare Zusammenarbeit jedoch nicht wesentlich. London rückt nicht näher an Europa heran und Paris nicht weiter davon weg. Für Präsident Chirac allerdings ergibt sich nun eine bequeme Position in der Mitte eines Dreiecks – Politik und Wirtschaft werden mit Bonn koordiniert und das Militärische mit Großbritannien. Dorothea Hahn,Paris