: Heraus aus dem institutionellen Tiefschlaf
■ Uraufführungen des Ensembles das neue werk zum eigenen 25. Geburtstag
Es gab Zeiten, da nahm sie kaum noch jemand wahr, die Konzerte des Ensembles das neue werk. Mitte der 80er Jahre fiel die NDR-Veranstaltungsreihe das neue werk, die zwischen den 50er und 70er Jahren Maßstäbe gesetzt hatte, in eine Art institutionellen Tiefschlaf. Die großen Projekte mit Stockhausen, Ligeti und Boulez gehörten der Vergangenheit an. Seit 1970 nun speist das Ensemble das neue werk die Konzerte dieser Reihe mit zeitgenössischen Programmen, die all das spiegeln, was sich stilistisch zwischen William Walton und Xenakis bewegt.
Dieter Cichewiecz, seit 1970 Leiter des Ensembles, ist eine dirigentische Konstante im ernsten Musikleben der Hansestadt. Er sammelt die wenigen neugierigen NDR-Sinfoniker zu einer Spielergemeinschaft, die das pflegt, was das NDR-Sinfonieorchester ein wenig vernachlässigt. Auch die Kultursenatorin Weiss leitet ihr Grußwort für das Jubiläumskonzert mit dieser Problematik ein: „Zeitgenössische Musik wird von unseren öffentlich geförderten Orchestern leider nur in sehr begrenztem Umfang aufgeführt.“
Mit zäher Widerstandskraft behauptet sich das Ensemble das neue werk in Zeiten unberechenbarer Publikumsinteressen. Die treue Gemeinde kritischer Hörer, deren musikhistorische Interessen die engen Pfade europäischer Kunstmusik von Schönberg bis zur seriellen Schule der Nachkriegszeit verfolgten, scheint zwar im Schrumpfen begriffen zu sein, aussterben wird sie jedoch nicht. Manche Kompositionen im Repertoire des Ensembles haben vielleicht nicht den klanglichen Reiz, der sich auch außerhalb materialtheoretischer Diskussionen einem theoretisch unbeleckten Publikum mitteilen könnte. Doch mit ihrem bunten Repertoire legt sich die NDR-Formation erfreulicherweise nicht auf eine zeitgenössische Programmatik fest. Schlüsselwerke der Moderne aus der Feder von Berio, Boulez, Christou bis hin zu Isang Yun prägen das Repertoire des Ensembles, dessen Interesse auch jüngeren Komponisten wie Renate M. Birnstein und Günter Friedrichs gilt.
Zu ihrem 25jährigen Jubiläum spielen die „Neuwerker“ gleich vier Uraufführungen. Neben Detlev Glanerts Gestalt. Kammersonate Nr. 2 und Rudolf Kelterborns Ensemble Buch II wird von Gloria Coates Time Frozen zu hören sein. Zum Abschluß folgt Satyagraha, ein neues Werk von Peter Ruzicka, dem Intendanten der Hamburgischen Staatsoper.
Sven Ahnert Mittwoch, 8. November, Studio 10 (Oberstraße 120), 20 Uhr
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