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Brause statt Champus

■ Bürgerschaftliches Säbelrasseln zum Thema Hamburger Finanzmisere

Immer wenn es um die Haushaltslage der Hansestadt geht, kommt Stimmung in die Hamburger Bürgerschaft. So auch gestern abend: In der aktuellen Stunde zur Finanzmisere warfen sich Regierung und Opposition gegenseitig „finanzpolitischen Schwachsinn“ und „Verrat an den Arbeitnehmern“ vor. Sollten womöglich beide Seiten recht haben?

Die Gründe des stattliche 1,4 Milliarden Mark großen Finanzloches im Haushalt 1996 sieht SPD-Fraktionschef Günter Elste vor allem in der Bonner Politik. Deren „Umverteilungspolitik zu Lasten der Schwächeren“ müsse durch stärkere Inanspruchnahme von Sozialhilfe von Ländern und Gemeinden finanziert werden. Nach Ansicht von CDU-Fraktionschef Ole von Beust versucht die Hamburger Regierung mit solchen Argumenten nur, von ihrer eigenen Verantwortung für die Misere abzulenken.

Doch egal, wie sich die Schuld für die Schulden zwischen Bonn und Hamburg verteilt, steht für Finanzsenator Ortwin Runde (SPD) fest, daß sich die Hansestadt „Wohltaten in Zukunft nicht mehr leisten“ kann. Tut sie auch nicht – im Gegenteil: Die Behörden hatten rechtzeitig zur Bürgerschaftssitzung 50 Millionen Mark an Ein-sparungen benannt.

Den größten Brocken hat mit 21,3 Prozent die Sozialbehörde zu tragen. Bei der Wohnungseinrichtung von Sozialhilfeempfängern (minus 3,4 Millionen Mark) soll ebenso wie bei den Reisezuschüssen für Behindertenwerkstätten (minus 2,35 Millionen) und den Zuwendungen an freie Träger in der Drogen- und Suchthilfe (minus 300.000) drastisch gespart werden. Die sechs Hochschulen der Hansestadt müssen sich mit zusammen 6,3 Millionen an der Einsparrunde beteiligen.

Für den GAL-Fraktionsvorsitzenden Willfried Maier gefährden solche Einschnitten „den sozialen Frieden“ in der Hansestadt. SPD-Amtskollege Günter Elste bleibt da ganz trocken: „Selbstkritik ist geboten, wo man durch politische Entscheidungen Champagner bestellt hat, obwohl man nur Faßbrause bezahlen kann“.

Marco Carini

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