piwik no script img

Senat dreht Sintis Strom und Wasser ab

■ Stellplatz für Sinti und Roma in Dreilinden ist aufgelöst. Kein Ersatzplatz in Sicht

Die Wasserhähne sind abmontiert, die grünen Toilettencontainer fast alle weggekarrt, und Strom gibt es auch nicht mehr. Die Senatsverwaltung für Jugend und Familie hat gestern den einzigen Berliner Stellplatz für Sinti und Roma ersatzlos aufgelöst.

Den Bewohnern war zwar schon vor Wochen mitgeteilt worden, daß das Gelände am ehemaligen Kontrollpunkt Dreilinden zum 31. Oktober geräumt werden muß. Doch den verbliebenen Familien konnte man auch gestern keinen Ersatzstandort nennen. Für die 26 Wohnwagengespanne französischer Roma gibt es damit keinen legalen Standort mehr. Sie wichen erst einmal auf den Waldparkplatz am Teufelsberg aus.

„Ich war gezwungen, den Stellplatz Ende Oktober zu schließen, weil die Ausnahmegenehmigung der Senatsverwaltung für Umwelt auslief“, erklärte gestern der Staatssekretär für Familie, Klaus Löhe. Ziel sei, zwei winterfeste Plätze für Sinti und Roma zu schaffen. Er erwarte, daß die Umweltverwaltung „unverzüglich einen neuen Standort“ benenne.

Der Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, Otto Rosenberg, bezeichnete die Lage gestern als „katastrophal“. Er forderte die Einrichtung von einem winterfesten Stellplatz für Berliner Sinti und Roma und weitere winterfeste Stellplätze für Durchreisende. Seit Jahren schaffe es der Senat nicht, einen dauerhaften Stellplatz einzurichten. „Provisorien sind teuer und nutzen nichts“, so Rosenberg.

Auf dem einstigen „Stauraum“ in Dreilinden sorgten gestern zwei Polizeibeamte dafür, daß keine neuen Wagen auf dem Gelände parken. Eine Großfamilie deutscher Sinti mit zehn Wohnwagen wird noch einige Tage auf dem Platz geduldet. Sie wollen in ihr Winterquartier in Nordrhein- Westfalen fahren, sobald ein Familienmitglied Ende der Woche aus dem Krankenhaus entlassen wird. Auch eine irische Wanderarbeiterfamilie kann noch bleiben, bis ihre Tochter heute aus London eintrifft. Deren 13jährige Tochter schützte gestern den Stromgenerator vor dem Wohnwagen mit einem Plastikstuhl vor dem Nieselregen. Die rund 20 Wohn- und Bauwagen von Berliner Sinti und Roma sind verlassen. Vorzelte sind von Wind und Regen eingeknickt. Vor einem Wagen stehen noch Tische mit Blechschüsseln, Spülmittel und ein Kühlschrank. Die Bewohner sind bei Verwandten untergekommen oder haben mit Hilfe des Sozialamtes Zehlendorf eine Wohnung gefunden. Ihre Wagen, die sie im Sommer bewohnen, können bis auf weiteres in Dreilinden stehenbleiben, stellt Staatssekretär Löhe fest.

Als Standort für einen Stellplatz kommt Dreilinden für Löhe weiterhin in Frage. Für einen dauerhaften Betrieb müßten Abwasserrohre verlegt werden. Laut Löhe sei auch denkbar, auf einem benachbarten Gelände, das früher den US-Amerikanern als Schießplatz diente, einen Stellplatz dauerhaft herzurichten. Aus dem Ostteil der Stadt liegt ein Angebot für einen zusätzlichen Stellplatz vor. Wie Löhe mitteilte, ist die Caritas bereit, zwei Plätze ganzjährig zu betreiben.

Am 9. November soll eine behördeninterne Runde über mögliche Stellplätze beraten. Die Sprecherin der Umweltverwaltung, Mechthild Bülow, erwartet allerdings nicht, daß es vor Jahresende zu einer Entscheidung kommt. Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen