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Agitprop-Klamotte

■ betr.: „Leipziger Allerlei“ (Fern sehkritik zu Beyers Fernsehfilm „Nikolaikirche“), taz vom 25. 10. 95

Ja, ja liebe taz, Ihr seid halt doch eine Wessi-Zeitung. Nach geschlagenen sechs Jahren erfahre ich nun endlich, wer bei uns damals Honecker in den Orkus der Geschichte gescheucht hat. Keine Demonstrationen, auch nicht der unspektakuläre Mut derjenigen, die morgens beim Rasieren respektive Schminken weiter ohne Ekel in den Spiegel gucken wollten; nein, das war das Westfernsehen, wie immer. Die Demos waren auch gar keine Demos, und die paar Leute, die da zufällig herumliefen, waren alles nur Statisten. Bliebe nur noch die Frage, wie es in Dresden ohne Westfernsehen zu Demonstrationen kommen konnte. Aus welcher vergessenen Rumpelkiste hat Manfred Riepe diese Agitprop- Klamotte der SED geklaubt? Oder sollte sein Beitrag ein verspäteter Aufguß Postmoderne à la Baudrillard sein, für den die Ereignisse nur noch im Fernsehen stattfinden?

[...] In einem Eurer Konkurrenzblätter schrieb vor ein paar Wochen mal jemand in einer Art Fastenpredigt, die Damen und Herren Feuilletonisten sollten sich doch bitte nicht dauernd einbilden, sie wüßten, wie „dem Volk“ zumute sei. Statt dessen erfahre ich nun auch noch in der taz vom soundsovielten Wessi, wie ich mich 1989 gefühlt habe – ganz verzweifelt. Martin Roy, Roskilde

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