: Verträge mit Rücktrittsrecht
Bei der Nahost-Wirtschaftskonferenz in Jordanien wurde eine Regionalbank gegründet sowie ein ökonomisch sinnloses Gasprojekt geplant ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary und aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Hotels in der jordanischen Hauptstadt Amman haben sich wieder geleert. Die 2.000 Geschäftsleute und Politiker aus 60 Ländern sind nach Hause gereist. Allzu viel haben die Teilnehmer des Wirtschaftsgipfels Nahost und Nordafrika nicht in ihrem Gepäck mitgenommen.
Erwartungsgemäß wurde eine regionale Entwicklungsbank aus der Taufe gehoben. Sie soll, laut Ammaner Abschlußdokument, die Entwicklung des privaten Sektors fördern, regionale Infrastrukturmaßnahmen unterstützen und als ein Forum für regionale Wirtschaftskooperation dienen. Die ägyptische Hauptstadt Kairo wurde als der Sitz der Bank festgelegt. Unklar aber blieb, wer was finanzieren soll. Die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, haben sich gleich zu Beginn der Konferenz aus der Bank ausgeklinkt. Die Europäer, darunter auch Wirtschaftsminister Günther Rexrodt, sehen die Beschäftigung mit der Bank als reine Zeitverschwendung an und fordern, die existierenden Finanzinstitute effektiver einzusetzen.
Bisher sind 70 bis 80 Prozent des Bankkapitals von fünf Milliarden Dollar zugesagt. Beteiligt sind die USA, Japan, Israel, Ägypten, Jordanien, die palästinensisch autonomen Gebiete, die Türkei, Zypern, Malta und Italien. Am 31. Dezember will man sich in Kairo zusammensetzen, um sich über alle weiteren Details zu unterhalten. Israels Außenminister Shimon Perez erwartet, daß die Bank in etwa einem Jahr ihre Arbeit aufnehmen kann. Sein ägyptischer Kollege Amru Musa spricht dagegen eher von einem Zeitraum von zwei Jahren.
Außerdem gab es in Amman eine nicht bindende Absichtserklärung: Eine US-Firma soll in begrenztem Umfang Erdgas von Qatar nach Israel liefern. „Es handelt sich eher um ein politisches als um ein wirtschaftliches Geschäft“, erklärte einer der Vertragsunterhändler hinter vorgehaltener Hand. Die Form des Dokuments läßt die Möglichkeit offen, sich wieder aus dem Geschäft zurückzuziehen. Ohnehin ist das Projekt unverhältnismäßig teuer. Aus ökonomischer Sicht wäre es wesentlich sinnvoller, das Gas aus Ägypten oder anderen, näherliegenden Golfländern zu beziehen.
Die Einschätzung der Konferenz von arabischer Seite ist differenziert. Jordaniens König Hussein sprach von „einem Erfolg nicht nur für uns, sondern für die ganze Region“. Ägyptens Außenminister Amru Musa äußerte sich verhaltener. Zuerst müsse der Friedensprozeß auf politischer Ebene fortgesetzt werden, dann müßte Israel sein Atomwaffenmonopol in der Region aufgeben, und erst dann könne man zu einer ernsthaften wirtschaftlichen Kooperation schreiten.
Der Planungsminister der palästinensischen Autonomiebehörden, Nabil Schaat, erinnerte die Teilnehmer an die palästinensische Realität: Israel hält den Gaza-Streifen und die Westbank immer noch wirtschaftlich geschlossen. Die Bewegungsfreiheit der Menschen und der Warenfluß seien massiv eingeschränkt, der Handel mit den Nachbarländern Ägypten und Jordanien nahezu unmöglich.
Aus israelischer Sicht hat es in Amman zwar viele interessante Projektvorschläge, aber nur wenige Beschlüsse gegeben, die als Durchbruch im regionalen Handel bezeichnet werden könnten. Insofern interpretiert die Regierung in Tel Aviv das Treffen eher als Forum für politische Auseinandersetzungen als für internationale Geschäfte. Zwar hat der arabische Wirtschaftsboykott heute nur noch wenig praktische Bedeutung für Israel – sein formelles Weiterbestehen bleibt jedoch ein Störfaktor. Die Abwesenheit von Delegationen aus Syrien und dem Libanon warf insofern einen langen Schatten auf die Konferenz. Israel stellte außerdem mit Bedauern fest, daß die wichtigen Golfstaaten zwar vertreten waren, aber einstweilen nicht „angebissen“ haben.
Einige israelische Geschäftsleute wiesen darauf hin, daß westliche Großunternehmer angesichts des Fortschritts im Friedensprozeß zwar größere Bereitschaft zeigen, im Nahen Osten zu investieren. Viele zögerten jedoch auch, weil sie das Risiko unvorhersehbarer Ereignisse wie zum Beispiel Attentate fürchten. Die enormen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Konferenz nährten ebenso Zweifel an der Stabilität der Region wie die scharfen politischen Kontroversen auf der Versammlung selbst.
Der Gouverneur der israelischen Staatsbank, Jakov Frenkel, meint dennoch, daß es nun die Sache internationaler Privatunternehmer sei, aus den neuen Geschäftsmöglichkeiten im Nahen Osten Nutzen zu ziehen. Nach seinem Konzept wird zur Jahrtausendwende der Anteil privater Wirtschaftsbeziehungen den der Staaten übertreffen. Zur Zeit wird noch sehr viel Geld aus der Region in anderen Teilen der Welt angelegt.
„Eines der vielverprechenden Modelle beruht auf Investitionspartnerschaften westlicher Firmen mit Unternehmern aus der Region, die mit den lokalen Verhältnissen und Spielregeln vertraut sind“, meint der Chef der israelischen Staatsbank. Tatsächlich waren die Geschäftsleute in Amman, im Unterschied zur Konferenz vor einem Jahr in Casablanca, nicht nur anwesend, sondern auch aktiv.
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