Sextouristen sollen hinter Gitter

Das Gesetz gegen Kinderprostitution im Ausland soll endlich angewandt werden, fordern Menschenrechts- und Frauengruppen. Bisher steht noch kein einziger Sextourist in Deutschland vor Gericht  ■ Von Mechthild Maurer

Freiburg (taz) – Wenn ein seit zwei Jahren gültiges Gesetz bisher nicht angewendet wurde, ist das Gesetz überflüssig, oder etwas ist faul. Seit September 1993 ermöglicht eine Strafgesetzänderung des Paragraphen 5, daß Deutsche, die im Ausland Kinder sexuell mißbrauchen, in der Bundesrepublik mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden können – und zwar auch dann, wenn deren Mißbrauch im betreffenden Land nicht strafbar ist. Wichtig ist nur, daß der Täter in Deutschland seinen Wohnsitz hat.

Obwohl hinreichend Fälle bekannt seien, wurde bisher kein Sextourist wegen des Verstoßes gegen den Paragraphen 176 vor Gericht gestellt, meinen deutsche Menschenrechts-, und Frauenorganisationen. Heute werden die Organisationen, die sich in der Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution zusammengeschlossen haben, dem Justizministerium in Bonn 14.000 Unterschriften überreichen, in denen sie die Umsetzung des Gesetzes fordern. Die Bundesregierung müsse endlich die notwendige Nacharbeit leisten und mit Ländern wie Thailand, Sri Lanka, Philippinen oder Brasilien bilaterale Rechtshilfeabkommen abschließen, betont Christa Dammermann von der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes. Doch die Regierung lehnte dieses Ansinnen ab, da es bisher schon grenzüberschreitende Ermittlungswege gebe. Selbst im Bonner Justizministerium ist man sich über die Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung klar. Noch für November hat das Ministerium daher internationale ExpertInnen zu einem Symposium über Prävention und Bekämpfung von Kinderprostitution geladen.

Derzeit werden Beweismittel zeitaufwendig über den diplomatischen oder den internationalen Rechtsweg erbeten. Es sei ein unhaltbarer Zustand, meint Christa Dammermann, wenn Staatsanwaltschaften ein Jahr benötigen, bis bei ihnen verwertbare Beweise aus dem Ausland auf dem Tisch liegen. Das lange Prozedere mache so manchen Staatsanwalt mürbe. Oftmals könnten sich Kinder nach so langer Zeit auch nicht mehr vollständig an die Tat erinnern. „Außerdem wissen wir“, so Dammermann, „daß Zeugen nach einiger Zeit nicht mehr auffindbar sind.“ Bestenfalls sind sie dann nur in andere Bordelle verschleppt worden.

Nach Ansicht der Bundesregierung liegen die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen nur in den Hauptzielländern des Sextourismus. Doch Ute Kreckl von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes meint, daß nicht immer die Behörden und die Polizei in den Zielländern verantwortlich gemacht werden können. Denn die lokale Polizei gehe inzwischen regelmäßig gegen Touristen vor, die Kinder sexuell mißbrauchen, und stelle sie vor Gericht. Tatsache sei vielmehr, daß von deutscher Seite erst seit einigen Monaten und sehr zögerlich ermittelt werde.

Fünf Fälle sind deutschen Staatsanwälten bekannt

Derzeit sind der Arbeitsgemeinschaft gegen Kinderprostitution fünf Fälle bei deutschen Staatsanwaltschaften bekannt. Nur in einem Fall, der bei der Kölner Staatsanwaltschaft anhängig ist, haben Urlauber die Ermittlungen gegen einen Deutschen ausgelöst. Er betrieb in Sri Lanka ein Jugendheim und soll Jungen regelmäßig sexuell mißbraucht haben. In den anderen bekannt gewordenen Fällen wurden Ermittlungsverfahren gegen Sextouristen eingeleitet, die bereits in Asien wegen sexuellem Mißbrauch angeklagt sind. So steht in Colombo ein 66jähriger Stuttgarter vor Gericht. Mehrere Jungen haben gegen den Deutschen ausgesagt.

Die Mainzer Staatsanwaltschaft prüft zur Zeit, ob sie die Auslieferung eines Deutschen beantragen soll. Der Mann steht in Thailand wegen sexuellem Mißbrauch von Kindern, Kinderpornographie und Entführung von Kindern vor Gericht und wurde dort bereits vor einigen Jahren wegen Kinderpornographie verurteilt.

Ein Problem bei den Ermittlungen sieht der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Wentzell in der Neufassung der Paragraphen 176 (sexueller Mißbrauch von Kindern) und 182 (sexueller Mißbrauch von Jugendlichen), die einen Tatnachweis erschweren würden. Da dem Täter nachgewiesen werden müsse, daß er das Alter des Kindes gekannt habe, fänden versierte Rechtsanwälte schnell ein Schlupfloch. Zum Streitpunkt vor Gericht könnte dann werden, ob ein 13jähriger Junge bereits wie ein 15jähriger aussah oder nicht. Paragraph 176 regele nur den sexuellen Mißbrauch von kleineren Kindern eindeutig. Doch in dem Augenblick, in dem Kinder in die Pubertät kommen, also im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren, seien sie fast ungeschützt.