: Anfang vom Ende?
■ Boris Jelzin tritt die Kontrolle über vier Ministerien an seinen Premier ab
Moskau (taz) – Der russische Premierminister Viktor Tschernomyrdin gab nach einem Besuch am Krankenbett von Boris Jelzin bekannt, der russische Präsident habe ihm die „partielle Kontrolle“ über vier Schlüsselministerien zugewiesen. Tschernomyrdin und Jelzin sollen sich demnach darauf verständigt haben, daß der Premier die Arbeit dieser Ministerien auf weiteres koordiniere. Ab sofort sind der Verteidigungs- und der Sicherheitsminister sowie die Köpfe des Außen- und Innenministeriums damit dem Premier rechenschaftspflichtig.
Tschernomyrdin begründete diesen Schritt mit aller Vorsicht: „Der Präsident muß von diesen Pflichten zum Teil entbunden werden, um ihm eine bessere Chance zur Erholung zu geben.“ Selbstverständlich, so fügte er hinzu, „holen wir den Rat des Präsidenten in allen Schlüsselfragen ein“.
Im Falle des Todes oder völliger Arbeitsunfähigkeit würde Viktor Tschernomyrdin nach der Verfassung für ein Vierteljahr die Amtsgeschäfte übernehmen. Nach dieser Frist müßte er dann Neuwahlen ausschreiben. Tschernomyrdin versuchte, weitergehende Spekulationen über den Gesundheitszustand Jelzins und seine eigene Rolle zu zerstreuen. „Ich bin froh, Boris Nikolajewitsch ist auf dem Weg der Genesung und arbeitet an Dokumenten.“
Auf die Frage, ob der Präsident ihn selbst gebeten habe, die Amtsgeschäfte zu übernehmen, antwortete der Premier vieldeutig: „Ich konnte es in seinen Augen erkennen, er wollte, daß ich härter arbeite.“
Unterdessen hat das Oberste Gericht Rußlands entschieden, daß die nationalistische russische Partei Derschawa des früheren Vizepräsidenten Alexander Ruzkoi an den Parlamentswahlen im Dezember entgegen der Anordnung der Wahlkommission teilnehmen darf. Die Beratungen über die Wahlteilnahme von Jabloko, der Partei des Wirtschaftsexperten Grigori Jawlinski, wurde dagegen zunächst vertagt. Ruzkoi und Jawlinski gelten als Gegner Präsident Jelzins. khd
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen