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Spekulatives Attentat gegen den Peso

Gerüchte aus New York treiben die mexikanische Währung erneut in den Abgrund / Urheber der Falschmeldungen unbekannt / Mexikanische Wirtschaft weiter unstabil  ■ Aus Mexiko-Stadt Anne Huffschmid

Eine unscheinbare Tickermeldung aus New York stürzte am Freitag morgen den mexikanischen Peso erneut in den Wertverfall. Die hauseigene Nachrichtenagentur des Dow-Jones-Konsortiums, in dessen Aufsichtsrat pikanterweise der aus Mexiko emigrierte Ex-Präsident Salinas sitzt, hatte von Gerüchten über einen möglichen Staatsstreich in Mexiko berichtet. Schon diese vage Andeutung reichte aus, um die Finanzspekulanten zur Flucht aus der Landeswährung zu treiben. Seit der drastischen Weihnachtsabwertung vor einem Jahr, als die mexikanische Finanzkrise ausbrach, war der Peso nicht mehr so tief gesunken.

Einen ganzen Vormittag lang jagte ein Gerücht das nächste: Reuters verbreitete die Behauptung eines ominösen Börsenmaklers namens Frank Fernández, Präsident Zedillo habe mit den Militärs schon seinen Abgang verhandelt. Andere Quellen berichteten, Finanzminister Guillermo Ortiz sei zurückgetreten. Auch von einer militärischen Eskalation in Chiapas war die Rede.

Das einzige Dementi kam am Freitag vormittag vom Verteidigungsministerium. Die anderen Ministerien beschränkten sich darauf, derartige „Redereien“ unwirsch als „absurd“ und „lächerlich“ abzutun und ansonsten jede Antwort zu verweigern. Erleichterung kam erst auf, als der Sprecher des Weißen Hauses in Washington kundtat, man habe „sich entschlossen, den Gerüchten keine Bedeutung beizumessen“.

Regierungsnahe Medien spielten den finanziellen Zwischenfall am Abend als „leichte Börsenunruhe“ herunter. Lediglich die drei einzigen unabhängigen Tageszeitungen bezeichneten den Mini- Crash am nächsten Morgen als das, was er nach Meinung von Finanzexperten war: Ein „spekulatives Attentat“ gegen den Peso und damit gegen die fragile Ökonomie des Landes. Völlig unklar ist bisher, wer die Ente ausgebrütet hat. Sowohl die Agentur Reuters wie auch besagter Fernández weisen jede Verantwortung von sich.

Mindestens ebenso drängend wie die Frage nach dem Urheber der Pesokrise ist das Problem der anhaltenden, extremen Verwundbarkeit der mexikanischen Wirtschaft. Allen Notprogrammen und neuen Wirtschafts-Allianzen zwischen Regierung, Unternehmern und Gewerkschaften zum Trotz scheint sich die Stabilisierung bei jeder tagespolitischen Provokation wie eine Fata Morgana in Luft aufzulösen. Wenn die Regierung ihren wirtschaftspolitischen Kurs nicht schleunigst ändere, so Oppositionsführer Porfirio Muñoz Ledo, dann „werden sich solche Gerüchte eines schönen Tages auch bestätigen“.

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