piwik no script img

Bremer Filmschaffende scheuen das Projektorlicht

■ Im Kino 46: „Bremer Filme im Herbst“ sollten einen Überblick über die heimische Filmszene verschaffen. Nur wenige BremerInnen schien das zu interessieren

Auf die Eröffnungsrede mußte die wenigen zahlenden Gäste des kleinen Festivals „Bremer Filme im Herbst“ lange warten. Denn Rolf Wolle, Mitglied des veranstaltenden Filmbüro und als Redner auserkoren, behielt seine Notizen lieber für sich. Und wartete auf Zuschauerzuwachs am Freitag abend. Mit geringem Erfolg. So fand man sich mit der Zeit eben damit ab, daß der zweitägige Überblick über neuere Bremer Filmproduktionen zu einem Familientreffen mit ein paar Gästen geriet. Wann bietet sich schießlich mal die Gelegenheit, Bremer Filme vor Bremer Publikum und auch noch auf großer Leinwand zu zeigen? Leider ging vielen der angeschriebenen Filmschaffenden aus Bremen und umzu dieser Enthusiasmus ab: Auf die Einladungen zur kleinen Filmschau reagierten sie gar nicht. Eine Tendenz zur Isolation hat auch Rolf Wolle bei den FilmemacherInnen in der Stadt ausgemacht mit der Folge, daß nur ein Ausschnitt der heimischen Filmszene das Licht des Projektors (und Videobeamers) erblickte. Dito beim Publikum: Nicht leicht zu verdauen, daß von der halben Million Bremer BürgerInnen sich nur zwei Dutzend für Bremer Filmproduktionen erwärmen können.

Gesiebt wurde trotzdem: Nur ein Drittel der Einsendungen tauchte im Programm auf; einige davon als Bremer Premieren. Etwa Peter Hellers zweistündige Dokumentation „Der Tod des Ares“, wo Heller sich auf die Spuren eines waffenverliebten Jungen und Jugendlichen macht, der zum Antimilitarismus konvertiert – sich selbst. Aufwendige Recherche und eine Fülle Archivmaterial erheben Hellers Film von einer bloßen Befindlichkeitsstudie zu einem herzhaft gefilmten Stück Zeitgeschichte.

Ein Glücksfall neben den – in der Regel auf diversen Video-Formaten gedrehten – Dokumentationen, die auch noch den interessantesten Zeitzeugen-Befragungen durch laienhaft eingesprochenen Kommentar mit penetrantem Betroffenheits-Gestus viel von ihrer Wirkung nehmen. „Heimatzwitter“ und „Bamberger“ von der Videowerkstatt Westend gehören dazu.

Vorsicht ist geboten, wenn Regisseure sentimental werden. Nicolai Rhode beklagt in „Königsblau“ die schlimmen modernen Zeiten, wo keine Briefe mehr geschrieben werden, schon gar nicht mit Füller und Tintenfass. Auch auf der Straße: bloß noch junge Rüpel und hektische Fahrradkuriere! Trost für den Regisseur: Füller lassen sich heutzutage tintenfass-kompatibel umrüsten. Stoff für „Königsblau“, Teil 2?

Nach den Vorführungen fragten sich drei Vertreter der Filmbranche, wie es denn unter diesen Bedingungen – Zuschauerschwund, Autorenisolation – um die Zukunft des Dokumentarfilms bestellt sei. Wobei es erheblich zur Stabilisierung des Weltbildes beitrug, wie die drei Branchengäste bestens alle Vorurteile gegenüber ihrem Metier bedienten.

Thomas Frickel von der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, Frankfurt, geißelte die Fernsehanstalten, die Dokumentaristen fernab zeitgemäßer Clip-Ästhetik keine Chance gäben und sprach gar vom „Massenmedium Dokumentarfilm“. Georg Hafner vom Hessischen Rundfunk, der einzige auf dem Podium, der Geld zu verteilen hatte, klagte über langweilige Exposés (“Nach der Ausstrahlung starren wir gierig wie Junkies auf die Zahlen der GfK-Zuschauerforschung“), die zudem zu lang seien („am liebsten eine dreiviertel Seite“); Außerdem sei das Zuschauerfeedback zum Erliegen gekommen: die Leute schreiben nicht mehr. Gut, daß Werner Ruzicka, Leiter der Duisburger Filmwoche, mit ruhrpöttischer Gelassenheit die Zukunft für ausgiebig recherchierte Dokumentarfilme rosig sah: „Die Leute haben genug vom Weißbrot, Schwarzbrot muß her!“

Mit weniger als 10.000 Mark mußten die „Bremer Filme im Herbst“ auskommen. Der Sponsor bot statt Barem nur Bier an. Immerhin. Schwarze Tischdecken im Kino-Café, dem Filmemacher-Treff. „Das entspricht dem Stil des Hauses“, sagt Rolf Wolle.

Alexander Musik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen