: Die Bügelhilfen
■ "Arabella" macht das Imperium lächerlich. Bei "Bärbel Schäfer" schlägt es zurück. Ein Vergleich der Systeme
So ein Leben neben dem Bügelbrett hat seine Untiefen. Alltags um 14 Uhr senden RTL und Pro 7 Talkshows, die nichts von Ufos erzählen, die die Menschen heimsuchen, weder von einarmigen Fetischisten noch von Serienmördern. Und trotzdem ist man wie hin- und weggeschwemmt.
Seit Juni 1994 zeigt Pro 7 den „Talk mit Arabella“ mit guten Quoten. RTL sendet seit drei Monaten zurück – mit „Bärbel Schäfer“. Die beiden Frauen haben mitunter dieselbe Zielgruppe im Auge, Menschen zwischen 14 und 29 Jahren, Menschen, die Sachen kaufen, das glaubst du nicht. Noch ist nicht entschieden, wer von beiden die Nase vorn hat, ob die Jüngeren nicht doch nur bei Arabella und die Älteren nur bei Bärbel Schäfer vorbeischauen. Die „Kernzielgruppe“ hat bekanntlich wenig Charakter.
Man kann das gut verstehen so kurz nach dem Mittagessen. Die Welt ist noch in Ordnung. Dann erzählt Bärbel Schäfer die Geschichte von Uwe. Der lernte nach dem Duschen die Freundin seines besten Freundes kennen. Und ein Muschelessen später ging er mit ihr ins Bett. Da war sein bester Freund, der Ralf, gehörnt wie ein Einhorn. Das ist doch was.
Auf dem anderen Kanal, bei Arabella, erzählt Iris von dem Versuch, ihren Exfreund mit Sex zurückzugewinnen. Im Publikum sitzt der beste Freund des Ex. Er liebt Iris sehr. Aber das Wasser zwischen beiden ist tief. Das ist doch auch was.
Aber es gibt auch Unterschiede zwischen beiden Talkshows, will man meinen. Bärbel nennt ihre Gäste auch mal beim Nachnamen. Sie steht fast immer im Publikum. Arabella hingegen springt rehartig hin und her zwischen den Welten. Sie möchte auch nicht, daß ihre Gäste ihre Wunden zeigen. Darauf steht aber Bärbel. Arabella möchte nur den Lifestyle ihrer Gäste diskutieren.
Das sieht Bärbel ziemlich anders. Sie präsentiert uns Ralf, den Gehörnten – und seinen besten Freund, den geilen Uwe. Noch verstehen sich die beiden. Dann aber rechnet Bärbel aus, daß die Freundin damals sowohl mit Ralf als auch mit Uwe gleichzeitig ... Das verunsichert Ralf dann doch, und auch Uwe wird plötzlich schamrot. Bärbel tut sehr blond und freundlich. Doch dann ruft sie doch aus dem Publikum: „Ganz schön abgebrüht, Uwe!“ Und: „Ziemlich feige Nummer!“ Das sitzt. Uwe wird zum Abschuß freigegeben, und Ralf darf einen einsamen Jagdhundblick in die Kamera werfen. Da brennt einem schon das Bügeleisen durch. So was kennt man nur aus der Trash-Talk-Szene in Amerika, von Ricki Lake, Jenny Jones und Gordon Elliot. Dort werden vor den Kameras Gäste aufeinander gehetzt, bestenfalls der Ehebrecher und seine Ehefrau. Das Publikum darf brüllen, johlen und buhen, ganz nach Lust und Laune, bis der Ehebrecher flennt und die Frau die Scheidung fordert.
Verglichen mit diesen Pranger- Sendungen liefert Bärbel Schäfer scheinbar nur den Soft-Trash. Ihre Hatz fällt kaum auf, manchmal sogar schützt sie ihre Opfer vor der Meute, indem sie Werbung einblendet, so wie am Donnerstag, als ein Zuschauer „die Frau da unten“ als Frau „einfach abstoßend“ fand.
Arabella Kiesbauer findet das Konzept der Bärbel ziemlich stillos. Dabei arbeitet auch sie mit Tücke. In ihren vielbewegten Rundgesprächen finden sich immerzu nur Vertreter des konservativen Gedankens und Leute des sogenannten Poplebens. Da schlafen die einen gern mal mit dem Ex, und die anderen finden das sehr schlimm. Oder die einen gehen im Latexröckchen spazieren, und die anderen finden solcherlei Maskeraden blöd.
Und immerzu verlieren die Konservativen in den Debatten. Denn Arabella muß „Mut“ machen, Mut zum Normbruch, Tabubruch, zum Pop. Kurz: Sie muß ganz einfach ihre Quoten halten – mit Provokation. Ihre konservativen Gäste werden deshalb genauso an den Pranger gestellt wie die Normbrecher bei Bärbel. Und es ist fast lustig mit anzusehen, wie der scheinbar öffentliche Diskurs bei beiden redaktionell gesteuert wird. Bei Arabella darf man sich über die Spießer ärgern, bei Bärbel über die Revoluzzer. Arabella macht das Imperium lächerlich. Bei Bärbel schlägt es zurück.
Arglos wie man seine Wäsche bügelt, fällt einem kaum auf, daß sich beide Sendungen in ihren Botschaften unterscheiden. Die rhetorischen Mittel, die sexy Themen, das Aufeinanderhetzen, die Opfer-Täter-Auswahl der Gäste, die digitale Abfolge der Interviews, das abrupte Plattreden vor den Werbeblöcken und der (a-)moralische Gestus ähneln sich zu sehr. Der Gedanke ist nichts, das Hormon ist alles. Zeit für den Mittagsschlaf. Marcus Hertneck
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