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Zwischen Intervention und Embargo

Im Grundsatzstreit um die bündnisgrüne Außenpolitik präsentieren drei Gruppen Anträge für den kommenden Parteitag. Die Parteilinke kritisiert Fischer in einem Brief an die Basis  ■ Aus Bonn Hans Monath

Im Grundsatzstreit um den außenpolitischen Kurs von Bündnis 90/Die Grünen haben wichtige Gruppen aus der Partei Position bezogen. Vier Wochen vor dem Bundesparteitag in Bremen, bei dem die Delegierten über die Leitlinien der künftigen Außen- und Friedenspolitik entscheiden sollen, liegen nun Anträge vor, um die harte Auseinandersetzungen erwartet werden. Am weitesten von der traditionellen Mehrheitshaltung entfernt sich der unter der Federführung Hubert Kleinerts erarbeitete Antrag der „Realos“. Er fordert eine Interventionspflicht der UNO bei Völkermord. Mitglieder aus dem Umfeld der Bundesarbeitsgemeinschaft Friedens- und Sicherheitspolitik lehnen in ihrem Papier dagegen jeglichen Waffeneinsatz ab. Eine Gruppe führender linker PolitikerInnen um Ludger Volmer schließlich präsentiert eine Position, die als Kompromißlinie verstanden werden kann.

In dem „Realo“-Antrag heißt es, „integraler Bestandteil des UN- Sanktionsmechanismus“ müsse „auch die Möglichkeit der Staatengemeinschaft zum Eingreifen im Fall von Völkermord sein“. Die deutsche Geschichte verpflichte die Grünen „in besonderer Weise“, für eine solche Völkermordklausel einzutreten. Die „Realos“ erteilen der Vorstellung eine deutliche Absage, die Deutschen könnten „auf Dauer eine Sonderrolle bei Missionen der Staatengemeinschaft beanspruchen“. Auch wollen sie keine Arbeitsteilung akzeptieren, bei der „die Deutschen die Moral formulieren oder mit Scheckbuchdiplomatie ihre Verantwortung abgetragen zu haben glauben, die anderen aber zuständig sein sollen für die riskanten Konsequenzen“.

Volmers Antrag, der auch von Fraktionssprecherin Müller und der Sicherheitspolitikerin Beer unterschrieben ist, lehnt zwar den Einsatz von Militär als Mittel der Politik strikt ab und bezeichnet Wirtschaftssanktionen als „Ultima ratio“. Die Teilnahme von Deutschen an internationalen Einsätzen im Ausland befürwortet er aber für zwei Fälle. Freiwillige in einer Blauhelm-Einheit, die über „leichte Waffen zum Selbstschutz“ verfügen, sollen „speziell für friedensbewahrende, konfliktmoderierende Einsätze“ ausgebildet werden, denen alle Konfliktparteien zugestimmt haben. Zudem soll die Bundesrepublik der UNO eine Einheit aus „Freiwilligen von Bundesgrenzschutz, Zollfahndung und Küstenschutz“ zur Überwachung „und Durchsetzung“ von Wirtschaftssanktionen zur Verfügung stellen. „Solche Maßnahmen sind auch gegen den Willen einer oder mehrerer Konfliktparteien durchführbar“, heißt es in dem Antrag.

Volmers Schlußfolgerungen gehen Teilen der Partei schon zu weit. So liegt ein Antrag vor, wonach Deutschland „als internationaler Zivildienstleistender eine Vorreiterrolle für die Zivilisierung der Politik übernehmen“ soll.

Die Debatte war im Sommer durch einen Brief Joschka Fischers an die Partei ausgelöst worden, in dem er gefordert hatte, die UN müßten Schutzzonen mit militärischer Gewalt verteidigen. Ende September hatte sich Fischer dann für eine Interventionspflicht im Fall von Völkermord ausgesprochen.

In einem am Wochenende verschickten offenen Brief an die Parteimitglieder haben Vorstandssprecher Jürgen Trittin, Fraktionssprecherin Kerstin Müller, Ludger Volmer und die Europaabgeordnete Claudia Roth schwere Vorwürfe gegen Fischer erhoben. „Der Unterschied des Interventions-Diskurses zum Mainstream der Außenpolitik in CDU, SPD und FDP wird immer undeutlicher“, heißt es darin. Die Autoren werfen Fischer vor, seine Forderung nach einer Intervention bei Völkermord ziele „direkt auf Emotionalisierung“. Seine Formel sei „Einfallstor für eine praktische umfassende Befürwortung von Kampfeinsätzen“. Fischer müsse „das Kriterium der Realitätstüchtigkeit“ an sein eigenes Konzept anlegen lassen und „sagen, wie Intervention denn hier und heute angesichts der gegebenen Kräfteverhältnisse, Machtkonstellationen und Methoden möglich ist“.

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