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Lügt Hans Seemann?

■ V-Mann-Prozeß: Gericht glaubt Version der kurdischen Angeklagten

„Nun sagen Sie mir bitte nur, was Sie wirklich selbst erlebt haben und berichten können!“ Richter Walk war gestern am vierten Verhandlungstag sichtlich entnervt von der Ungenauigkeit der Aussage des Kripo-Spitzels Rigal J. Der polnische Knacki sollte als V-Mann in Santa Fu für die Drogenfahndung Mitgefangene ausspionieren.

Wie die taz berichtete, haben Polizei und Knast-V-Mann die Befreiung eines inhaftierten Kurden als Ausbruchshelfer geplant, um an angeblich vorhandene zwei bis drei Kilo Heroin heranzukommen. Dieses Rauschgift sollte der Preis für den Ausbruch aus Fuhlsbüttel sein. Am Ende klickten die Handschellen bei Bruder und Cousin des Türken Mehmet D., als sie Anfang März in Winterhude 400 Gramm Heroin übergeben wollten.

Der V-Mann Rigal, der das Geschäft mit dem kurdischen Häftling eingefädelt hatte, beteuerte, es sei zunächst nur um die Summe von 50.000 Mark für den Ausbruch gegangen. Polizeizeugen hatten zuvor ausgesagt, Spitzel Rigal J. habe von Anfang an von einem Drogendeal gesprochen.

Um Einzelheiten und Widersprüche zu klären, lud Richter Walk dann ad hoc den Hamburger Sicherheitsbeauftragten für Strafanstalten, Hans Seemann, als Zeugen. Doch dessen Erinnerung wies viele Lücken auf. So will er erst im März von konkreten Einzelheiten erfahren haben. Auch über den Einsatz der Kripoleute im Knast will er erst zu diesem Zeitpunkt informiert worden sein. Die Verteidiger hielten ihm vor, daß aber die beteiligten Kripoermittler über Gespräche im Detail mit ihm schon im Januar und Februar erzählt hatten. Daraufhin beriet sich Vorsitzender Richter Walk kurz mit seinen zwei Schöffen, und zum Ende der gestrigen Verhandlung kam der Knaller: Das Gericht teilte mit, daß es schon jetzt nur noch von der Version ausgehe, daß Mehmet D. seinen Ausbruch zunächst nur mit Geld bezahlen wollte. Dies aber widerspricht allen Darstellungen der in den Ausbruchs-Heroin-Deal verwickelten Drogenfahnder. Jo Feind

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