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Psssst!

■ Schneller, billiger, blöder: Spaßkunst aus der Schweiz mit Marcel Biefer & Beat Zgraggen, jetzt im Künstlerhaus am Deich

„Psssst!“ Jetzt mal aufgepaßt, liebe Kinder, bedeutet uns der Mann im Fernsehen, und damit wir's auch wirklich begreifen, legt er den Zeigefinger über seine Lippen: „Pssst! Ein Künstler bei der Arbeit!“ Er öffnet die Tür, dahinter sitzt der angekündigte Künstler: auf dem Scheißhaus, grübelnd, mürrisch, dennoch würdevoll in Rodins „Denker“-Haltung posierend. Ja, ist denn das nicht komisch? Nein? – Dann kennen Sie Biefer & Zgraggen schlecht.

Diese lustigen Schweizer verkaufen solche Szenen nämlich als Konzeptkunst. Auf Video, gern auch live. Das Bremer Künstlerhaus am Deich fand das so drollig, daß es das Künstlerpaar jetzt einlud, um auch in Bremen seine Späße zu treiben. Ein Videoband mit neuen, in Bremen gedrehten Sketchen (Titel: „Galerienrundgang“) und eine kleine Kunstschau sind dabei herausgekommen.

Die Videobänder sind Teil der Reihe „Telekolleg Kunst“. In einer Art ethnografischer Feldforschung versuchen Biefer/Zgraggen hier, die Rituale des Kunstgeschäfts zusammenzutragen. Und diese natürlich kräftig auf die Schippe zu nehmen. Unter Titeln wie „Vernissage“, „Installation“ oder eben „Galerienrundgang“ bekommen die Kunstbetrachter nun all das vorgehalten, was sie freilich längst schon wußten: daß es prima Schnittchen gibt zur Eröffnung und daß Künstler egozentrische Arschlöcher sind. Immer noch nicht komisch?

Dann müssen eben noch ein paar handfeste Exponate nachgeschoben werden. Um die Forschungsergebnisse auch gleich in „praktische Kunstkritik“ (Biefer) zu überführen, haben die Schweizer nämlich etwas Kunst zusammengeschustert, gemeinsam mit sechs Bremer Künstlerinnen. „Schneller, billiger, besser“ als das überladene Zeug, das sonst so als Kunst in den Galerien herumsteht. Die Klischees aus den Videos finden hier ihre angemessene Fortsetzung. Höhepunkt der Schau: Ein Feuerlöscher (rot) mit der Aufschrift: „Feuerlöscher (rot)“. Endlich erfährt man mal, wie dumm doch das Publikum ist, wenn es Feuerlöscher und moderne Objektkunst (vielleicht doch ein Ready-Made von Duchamp?) nicht auseinanderhalten kann. Ihr Blödeln, ihr! „Kunstwerke haben eben ihre eigene Sprache, die kann man nicht so einfach verstehen“; das sagen Biefer & Zgraggen doch wohl deutlich genug im „Telekolleg“!

Ja, es sind wirklich nur die billigsten Lachnummern, die im ach, so cleveren Biefer/Zgraggen-Konzept Verwendung finden. Billiger und schneller ist dies hier allemal. Aber besser amüseren läßt es sich bei „RTL Samstagnacht“. Dort geben die Clowns vom Dienst nämlich gar nicht erst vor, im Dienste subversiver Marktunterwanderungs-Strategien zu handeln. Auch die penetrante Publikumsbelehrung bleibt den Zuschauern erspart: Hier steht man zum Blödsinn, den man verzapft. Bitte umschalten!

Thomas Wolff

„Telekolleg Kunst“, bis 11.11., Am Deich 68/69. Zur Ausstellung erscheint eine Edition „Telekolleg“ mit Videoprints und Zitaten, Auflage: 15 Stück, Preis: 200 Mark

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