: Ehe und Natur helfen auch nicht
■ Halbmond: Eine filmische Trilogie über die ewige Fremdheit des Menschen in der Welt nach Paul Bowles im Abaton
Für diesen Film hat sich Paul Bowles, Senior-Autor aus der Kultklasse Kerouac, Ginsberg, Burroughs und Co., extra einen Videorecorder gekauft. Denn gern zeigt der in Tanger lebende Amerikaner, wenn er Besucher empfängt, diesen die deutsche Verfilmung dreier seiner Kurzgeschichten. Schließlich, findet der Schriftsteller, sei Paul Bowles – Halbmond weit besser gelungen als andere filmische Umsetzungen von seinen Stoffen – etwa als Bernardo Bertoluccis Kino-Epos seines Romanes Himmel über der Wüste.
So spielt der Autor, dessen Ausstrahlungskraft auf eine Post-post-Beatnick-Generation noch immer enorm ist, auch persönlich die nachträglich eingefügten Übergangssequenzen zwischen den drei Teilen, aus denen Frieder Schlaich und Irene von Alberti den Film zusammengestellt haben.
Ursprünglich als Kurzfilm mit nur einer Episode geplant, überzeugte der erste Teil die Produzenten so, daß zwei weitere Geschichten zu einem abendfüllenden Film verfilmt werden konnten. Anfang und Ende spielen, wie zu erwarten, in Marokko. Der Mittelteil aber führt in die schwüle Wasserwüste des Amazonas, wo die immer ungewohnter werdenden tropischen Lebensformen die schwierigen Beziehungen in der jungen Ehe zweier Europäer bis zum Bruch auswachsen lassen. In allen Teilen ist das Ambiente in seiner Fremdheit beiläufig genau und ganz unvoyeuristisch gezeichnet.
Es ist eben ein Vorteil kleiner Produktionen, daß sie nicht gleich um die Ecke vom Grandhotel gemacht werden. Daß trotz der von der Tourismusindustrie bestimmten Topoi des Exotischen unter Palmen ein glaubhafter Handlungsraum zu erleben ist, liegt auch an den unverbrauchten jungen Darstellern.
Im letzten Teil verkörpert ein einfacher Straßenjunge Allal den Außenseiter eines Dorfes am Rande der Sahara, der um Rache für alle erlittenen Zurücksetzungen zu nehmen, mystischen Kontakt mit einer Schlange aufnimmt.
Der Film beginnt aber weit weniger legendenhaft mit der Männerfreundschaft von Idir und Lahcen, die durch eine Liebesgeschichte auf die Probe gestellten wird. Zwischen Kasbah und Strand von Merkala wird in vielen Details die Stimmung des Maghreb lebendig und nebenbei die Frage geklärt, ob Haschisch oder Alkohol besser für das Leben und die Liebe sind.
Stufe für Stufe, von der Stadt über den Dschungel zum Oasendorf zieht der Film den Betrachter in einen Sog archaischen Verhaltens. In verschiedenen Arten grausamen Unverständnisses, von der kleinen Geste bis zum Mord, scheitern die Beziehungen. Freundschaft ebenso wie Ehe garantieren kein Verständnis und die fast heilige Verschmelzung mit der Natur ist nur um den Preis des Irrsinns zu haben. Egal ob am Rande des Tropenstroms oder der Wüste: der Mensch ist seiner Welt und seinen Partnern letztlich fremd, die Aufhebung dieser Grenze gelingt nur im rauschhaften Wahn.
Hajo Schiff
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