■ Standbild: Knechte Adenauers
„Die Augen geradeaus“, 21.45 Uhr, ARD
Wenn JournalistInnen sich auf die Suche nach dem Bürger in Uniform machen und dabei einfache Rekruten, also den „Schützen Arsch“, befragen wollen, bricht üblicherweise die blanke Verzweiflung aus. Es dauert Stunden, bis ein kahlköpfiger Schnauzbart gefunden ist, der sich vor der Kamera nicht bloß grenzdebil gurgelnd äußern kann.
An diesem Rechercheprozeß hat die ARD die ZuschauerInnen in ihrer Jubiläumssendung zu 40 Jahren Bundeswehr nicht teilnehmen lassen. Was die Nerven schont, aber auch ein bißchen geschummelt ist. Statt mit dem zeitlupenhaften Gelalle & Gestammele junger Grünhelme wartete das Erste mit Fernsehen aus dem Schnellfeuergewehr auf: vier historische Rückblicke – 50er bis 90er Jahre – plus sechs Reportagen in 45 Minuten. Teilweise unterlegt mit der Musik der jeweiligen Ära und mit einem sich poppig drehenden Helm als Logo in der oberen rechten Bildschirmecke.
Da war wirklich alles drin: zwei Veteranen des ersten Jahrgangs von 1955, das Doppelporträt eines Generals und eines Grundwehrdienstleistenden, High-Tech und blutiges Handwerk. Erschöpfend im eigentlichen Sinne des Wortes, denn hier wurde alles angerissen: die Frauenfrage, die NVA-Problematik, explodierende Rüstungskosten und weltweite Einsätze – samt zweier kurzer Ansprachen von Ignatz Bubis (pro) und Friedrich Schorlemmer (contra).
Trotz der geschwinden Ausgewogenheit (rot-schwarze Koproduktion von WDR und MDR) blieb einiges hängen. Etwa, daß die Ausbildung auf den virtuellen Schlachtfeldern der Computer nicht deshalb stattfindet, weil sie die Finanzen und die Umwelt schont – sondern weil die Schulung am PC so „kriegsnah“ ist wie noch nie. Und dann war da noch die Erpresserlogik des Generalinspekteurs Naumann: Wer Europa wolle, der müsse auch für Einsätze rund um den Globus sein – „Ich kann mir nicht vorstellen, daß unsere Bevölkerung anders behandelt werden will als die Holländer.“
Das Schönste aber hatten die Veteranen der ersten Stunde zu erzählen: Damals seien Soldaten, die sich in Uniform auf der Straße zeigten, noch von pazifistisch gesinnten BürgerInnen als „Knechte Adenauers“ beleidigt, bespuckt, ja verprügelt worden. Die Zeiten sind vorbei. Philip Kahle
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