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Unbefangener Umgang mit „Tatsachen“

■ betr.: „Die Karrieren der Wieder verwendbaren“, taz vom 25. 10. 95

Mit den Worten „einmal Propaganda, immer Propaganda“ endet die taz-Besprechung des neu aufgelegten Buches von Otto Köhler über „Unheimliche Publizisten“ und ihre „verdrängte Vergangenheit“. Es sei in diesem Bereich das „genaueste“ Buch und überzeuge durch die „präzise Recherche“, wertet der taz-Autor Hans Hermann Kotte. Köhler sei ein Linker, und so schreibe er auch. Leider hat „links“ nicht ursächlich etwas mit „recht haben“ oder mit sauber recherchieren zu tun. Leider schreiben Journalisten nicht immer über Themenkomplexe, bei denen sie sich auskennen. Und leider geht die taz an den sensiblen Bereich der NS-Vergangenheitsaufarbeitung oder -aufdeckung von Journalisten sehr unsensibel heran.

Otto Köhler mag sich durch seine kritische Berichterstattung große Verdienste erworben haben, mit diesem Buch erweist er sich und der „linken“ Kritik eher einen Bärendienst, denn er recherchiert – und hier beziehe ich mich ausschließlich auf den Komplex „Karl Korn“ (ehemaliger Herausgeber der FAZ und deren Kulturchef von 1949-1973) – ausnehmend oberflächlich. Beispielsweise bezeichnet Köhler Korns Buch „Sprache in der verwalteten Welt“ als eine „Zusammenfassung zahlreicher Sprachglossen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Falsch! Das Buch kam 1958 heraus, und lediglich zwei kleine sprachkritische Komplexe hatte Korn zuvor in der FAZ veröffentlicht: einen Artikel über das „Erleben“ (19. 12. 1951) und eine Passage über das „Gedankengut“ aus dem Artikel „Die Gedanken sind nicht vogelfrei“ (25. 10. 1957). Heftiger wurde Korns sprachkritisches Engagement erst nach Erscheinen des Buches.

[...] Gewiß, es sind Kleinigkeiten, doch sie werfen ein Licht auf Köhlers doch recht unbefangenen Umgang mit „Tatsachen“. Was der Journalist praktiziert, ist – zumindest beim Thema Karl Korn – Meinungsmache. Er will Kontinuitäten nach 1945 aufzeigen und demonstrieren, wie verlogen das Mediensystem ist – lobenswert, wichtig und richtig. Aber: bitte sauber!

Der Autor der Rezension steht Köhler dabei in nichts nach. Alle schert er sie über einen Kamm, wenn er in bezug auf Elisabeth Noelle-Neumann, Paul Carell, Karl Korn, Joachim Fernau, Klaus Mehnert und Emil Dovifat schreibt, sie seien ihrer „nationalistischen und antisemitischen Gesinnung“ treu geblieben. Korn in der FAZ ein „Antisemit“? Beileibe nicht, das behauptet auch Otto Köhler in keinem Satz.

Außerdem sei nur wenig Umstellung der „Wiederverwendbaren“ nötig gewesen, nach dem Zusammenbruch die „saubere Wehrmacht zu preisen, die Wiederbewaffnung zu propagieren (...) oder Kollegen wie Erich Kuby zu hetzen (...)“. Korn als „Wiederverwendbarer“ hat also die saubere Wehrmacht gepriesen, die Wiederbewaffnung propagiert und Erich Kuby gehetzt? Auch hier: beileibe nicht. Korn bezeichnete die Entscheidung über die Wiederbewaffnung als ein „große(s) politische(s) Trauer- und Satyrspiel“ (FAZ, 7. 11. 53), kritisierte den Film „08/15“ als einen, der „die Problematik der Wehrmacht vertuschen und durch unglaubwürdige Drastik und übertriebene Effekte jeder Kritik die Spitze abbrechen“ wollte (FAZ, 3. 11. 54) und veröffentlichte im Feuilleton der FAZ „Briefe zwischen K. und K.“ zum Thema Nitribitt (4. 9. 58).

Für diesen gemeinsamen Auftritt mit Kuby zog er sich übrigens eine schriftliche Rüge von seinem Herausgeber-Kollegen Erich Welter zu: „Es tut mir lange schon weh, daß Sie seinerzeit in der Zeitung mit Ihrem Briefwechsel ,Lieber Herr ...‘ Arm in Arm mit Herrn Kuby aufgetreten sind. Mag Ihnen der Mann noch so wortgewandt erscheinen, ich habe das Gefühl, er solle von den Herausgebern der FAZ nur mit der Feuerzange angefaßt werden.“ (16. 12. 58).

Verallgemeinernde und apodiktische Wertungen bereichern die linke und notwendige Kritik nicht. So nämlich verkommt sie zur Propaganda. Und wie Hans Hermann Kotte so schön schreibt: „Einmal Propaganda, immer Progaganda“. Claudia Paul, Mannheim

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