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Die Last des Vergnügens

■ Eingeladen von der Architektenkammer diskutierten illustre Gestalten ihre liebe Not mit gewerbsmäßigen Unterhaltungsangeboten Von H. Haarhoff

Ein protziges, 30 Meter hohes Portal am Eingang zu Hamburgs Konsummeile mit Lichtpyramide und der Ausstrahlung finsterster Baugerüste: Das leuchtende Grauen will die Interessengemeinschaft Mönckebergstraße ab November 1996 alljährlich zur Weihnachtszeit bescheren. Auf daß konsumgeil das Tor zum Kaufrausch durchschreite, wer's braucht.

Ein Umtausch des Geschenks auf Zeit – außerhalb der Adventszeit würde es eingemottet – scheint nur noch möglich, wenn sich keine weiteren Sponsoren überzeugen lassen, die Konstruktion der Hamburger Agentur 3 D Creativ zum Spottpreis von 1,5 Millionen zu finanzieren: Trotz Spenden verschiedener Kaufhäuser fehlen 800.000 Mark. Die Stadt wird zu dieser Energieverschwendung „keinen Pfennig dazu geben“, versichert Stadtplaner Peter Illies.

„So wie Hamburg sich unter dem Einfluß der internationalen Strömungen der Zeit verändert hat, so reflektiert die Skulptur das historische und kulturelle Klima unserer Zeit“, verteidigt 3 D Creativ-Manager Hanno Feck das Projekt. Ungewollt treffender könnte man den Trend der wild wuchernden Vergnügungspaläste aus Cinemaxxen, Mehrzweckhallen, Musical-Zelten a la Buddy Holly und sonstiger dumpfer Konsum-Freizeit-Zentren wohl nicht beschreiben. Immerhin, so die spöttische Analyse des Schmidt-Tivoli-Inhabers Corny Littmann, „garantieren sie das sichere Vergnügen in Zeiten der Rezession.“

Bei der Architektenkammer-Veranstaltung „Total vergnügt – Stadtkultur und Vergnügungsindustrie“ diskutierten am Donnerstag Catherine Hoja (Stadtentwicklungsbehörde), Ulrich Greiner (Zeit-Autor), Corny Littmann (Inhaber Schmidt-Tivoli), Hans Joachim Flebbe (Cinemaxx) und Daniel Gössler (Architekt) die Ursachen und Folgen dieses Trends für die „Stadtkultur“, nach Greiner „die Merkmale einer Stadt, die über pure Zweckrationalität hinausgehen.“

Für ihn ist die Nachfrage nach Musicals, neuen Medien und Massen-Filmindustrie zuungunsten klassischer Kunst und Kulturformen nichts weiter als die logische Konsequenz eines Wandels der großstädtischen Lebensweise: „Die Innenstädte Frankfurts und Hamburgs sind beliebig austauschbar, weil die ortsgebundenen städtischen Funktionen verloren gegangen sind. Aus der Gruft unserer vier Wände heraus können wir wählen, per Computer Bestellungen aufgeben, städtisches Leben simulieren.“ Ebenso wenig standortgebunden seien die neuen Konsumstätten: „Wenn es nur noch darum geht, sich zu vergnügen und zu konsumieren, führt das zu sozialer Ausgrenzung“, warnte Greiner.

Deswegen möchte Stadtplanerin Hoja städtische Plätze als „Ort der Begegnung für alle sozialen Schichten“ vor marktwirtschaftlichen Konsumtempeln schützen, verkennt dabei aber, so Greiner, „daß die Entscheidung über die Nutzung längst von der Wirtschaft getroffen“ wurde. Corny Littmann hingegen hofft auf die Nicht-Manipulierbarkeit des Publikums, das sich verantwortungsbewußt für oder gegen die seichten Unterhaltungsangebote entscheidet, und Flebbe sieht erwartungsgemäß nur die Belebung der Innenstädte.

Aber, so Greiners letzter Trost, das geplante Mönckeberg-Tor könnte erst der Anfang allen Übels sein: „Gemessen an US-amerikanischen Städten ist Hamburg eine Oase. Aber Oasen-Bewohner tun nicht schlecht daran, sich mit den Problemen der Wüstenbewohner auseinanderzusetzen.“

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