: Tu' ihm Liebes ...
■ Wiederentdeckt: Hochzeitsmusik aus den Hansestädten/ Heute Konzert
A
uf der einen Seite prosaisch-nüchterne Kaufmannsgeschichte, auf der anderen Seite der Kampf gegen die Seeräuber: Lebenswirklichkeit der Hanse von Bergen bis Nowgorod und von Lübeck bis Stade. Schon seit dem 12. Jahrhundert hatten sich die Kaufleute zwecks gemeinsamen Handelns zusammengeschlossen. Auf diesem Hintergrund blühten die Städte auf und es entstand eine bedeutende Kunstszene. Und es entstand eine Kunstausübung im Alltag, die es „tatsächlich nur im Ostseeraum gibt“, so Manfred Cordes, der Leiter des Konzertes, das heute abend in der Kirche Unser Lieben Frauen stattfindet: „Hochzeitsmusiken der Hansestädte“.
Cordes hat sich die Mühe gemacht, eine Sammlung mit über hundert derartiger Musiken einmal durchzuforsten, vieles ist ungedruckt und nach dem ersten Anlaß nie wieder aufgeführt worden. Einige Stücke haben die Komponisten auch in später herausgegebene eigene Sammlungen aufgenommen. Und vieles existiert auch noch nicht einmal in Partitur, sondern nur in den Stimmbüchern, die dann dem Brautpaar als Geschenk gegeben wurden. Schlechtere Musik als andere muß das keineswegs sein, denn um diese Zeit – bis zur Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert – war alle Musik Auftragsmusik: für die Kirche, für den Hof, für die Mäzene. Die Komponisten lebten von diesen auch kleinen Aufträgen, so im Falle dieses Konzertes auch so berühmte wie Johann Pieter Sweelinck oder Johann Vierdank. „Die Qualität der Stücke ist absolut überzeugend“.
Interessant scheint dabei an der Wende zum 17. Jahrhundert vor allem, daß die Größe der musikalischen Ausstattung besonderen „Luxusordnungen“ innerhalb der städtischen Hierarchie zwar unterworfen war, aber diese Vorschriften niemand einhielt. Und daß Bürger wie Fürsten heiraten wollen, ist schließlich heute noch so.
Da es sich dabei also ausschließlich um die Repräsentation der städtisch-bürgerlichen Familien handelte, gibt es die unterschiedlichsten Texte, die unterschiedlichsten Längen und die unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrade. Das Hohelied aus der Bibel wurde zu diesem Zweck „rauf und runter“ (Manfred Cordes) vertont, dann gab es Neudichtungen der Art „Wem ein tugendsam Weib bescheret...“, auch ganz persönliche Anspielungen auf die konkreten Personen. Als musikalische Formen finden wir Lieder und vier bis achtstimmige Motetten in Schwierigkeitsgraden, die vom Laiengesang bis zu professionellen Anforderungen gehen, eben danach, mit welchem Aufwand die Auftraggeber ihre Hochzeit ausrichten wollten. Und wir finden die instrumentalen Begleitmusiken zum Kirchgang, die Musik in der Kirche selbst und die häuslichen Fest- und Trinklieder.
Das heutige Konzert trägt einer Praxis Rechnung, die eine immer andere Besetzung der Stimmen erlaubte: vokal oder instrumental. Es singen sechs VokalsolistInnen, unterstützt von den Instrumenten Violine, Posaune, Zink, Dulcian, Harfe und Gitarre. Daß die Frauen heute nicht mehr „ihm Liebes sein Leben lang tun“ (Johann Eckardt 1591), dürfte dem Interesse an dieser soziologisch gebundenen Musik keinen Abbruch tun. Ute Schalz-Laurenze
„Hochzeitsmusiken der Hansestädte“, Samstag, 20 Uhr, in der Kirche Unser Lieben Frauen
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