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■ Kroaten lassen Truppen in Ostslawonien aufmarschierenKriegsgefahr noch nicht gebannt

Nicht der Aufmarsch kroatischer Truppen in Ostslawonien ist jetzt der Gefahrenpunkt für das Scheitern der Gespräche in Dayton. Auch die serbische Seite hat in Ostslawonien Truppen zusammengezogen und ist bereit zum Waffengang. Dieses „Säbelrasseln“ soll wohl etwas Druck hinter die Forderungen der kroatischen oder der serbischen Seite machen. Unter den gegebenen Umständen ein normaler Vorgang. Mehr Sorgen sind angebracht angesichts der US-amerikanischen Verhandlungsführung. Zu viele Streitpunkte sind offengeblieben. Erneut glimmt deshalb die Lunte im Krisengebiet.

Nach den bisherigen mageren Ergebnissen zu schließen, ist die amerikanische Verhandlungsstrategie von ihrem ursprünglichen Impetus auf das altbekannte, von den Europäern und der UNO in der Vergangenheit vorgeführte Niveau abgesunken. Wenn jetzt die bosniakisch-kroatische Föderation wieder einmal – zum wievielten Male eigentlich? – mit Leben erfüllt werden soll, ist wirklich nichts Neues erreicht. Das, was da in Dayton unterzeichnet wurde, ist schon mehrmals Makulatur geblieben. Und wenn sich die USA damit zufriedengeben, daß UNO-Truppen in Ostslawonien über zwei Jahre lang in Zukunft die Reintegration der serbischen Gebiete nach Kroatien bewerkstelligen sollen – wozu sie in vier Jahren vorher nicht in der Lage waren –, dann ist Vorsicht angebracht. Und vielleicht die Erkenntnis, daß sich nun die amerikanischen Politiker in den Stricken der balkanischen Politik verfangen haben.

Dabei hatte alles ganz gut begonnen: Die Ereignisse in Srebrenica vor Augen, hatten Holbrooke und Clinton den Veränderungen von Grenzen einen Riegel vorgeschoben; nicht allem und jedem sollte recht gegeben werden. Indem die UNO ins Abseits gedrängt, die verhängnisvolle Rolle mancher westeuropäischer Staaten minimiert wurde, die russischen Ansprüche zurechtgestutzt wurden, war der Weg offen für eine Pax Americana: einen Diktatfrieden, der den gordischen Knoten vielleicht zerschlagen hätte.

Noch ist nicht ausgemacht, ob die USA tatsächlich diesen Weg verlassen haben. Hätten sie dies, so müßte ihre Führung wissen, daß faule Kompromisse zu erneuten Kämpfen führen. Dann wäre der Kampf um Ostslawonien unausweichlich. Und würden die Grenzen in Bosnien lediglich als eingefrorene Demarkationslinien definiert, wären auch hier weitere militärische Auseinandersetzungen angesagt. Der Wunsch vieler Bosnier, vor endgültigen Friedensverhandlungen zunächst militärisch neue Fakten schaffen zu lassen, ist vielleicht zu überspannt angesichts des Horizontes, der über Washington liegt. Erich Rathfelder

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