„Corinna, wir lieben Dich“

■ St. Paulis Frauen wurden gestern souverän deutsche Rugby-Meisterinnen Von Polly Schmincke

60 Meter hat sie noch vor sich. Mit gesenktem Kopf, den Ball fest an sich gedrückt, prescht sie los. Corinna Steinmetz muß fast zwei Drittel des Spielfeldes überqueren, um zur magischen Linie zu kommen und das Rugby-Ei abzulegen. Die Gegnerinnen vom SC Heidelberg-Neuenheim drückt sie mit der flachen Hand zur Seite. Die Spannung steigt, denn mit 6:5 führt das Hamburger Rugby-Team im Endspiel um die deutsche Meisterschaft nur sehr knapp, 250 verkrampfte Zuschauer-Gesichter warten auf die Erlösung. Dann bricht der große Jubel aus: Steinmetz hat sich mit dem Ball auf den Boden geschmissen und damit zu Beginn der zweiten Halbzeit ihrem Team 5 weitere Punkte beschert auf dem Weg zum glanzvollen 23:5-Erfolg im gestrigen Finale auf dem Platz an der Saarlandstraße.

„Corinna, wir lieben Dich!“ brüllt ein offensichtlich begeisterter Fan. Am lautesten sind die Rugby-Herren von St. Pauli, die mit versammelter Mannschaft erschienen sind. Bei ihnen ist die Damenriege voll anerkannt im Gegensatz zum Deutschen Sportverband, wo sie weniger beachtet wird.

Die gar nicht so schwierigen Spielregeln kennen einige der ZuschauerInnen noch nicht – viele sind zum ersten Mal hier. „Ich wußte gar nicht, daß auch Frauen Rugby spielen“, ist zu hören. Rugby, von vielen mit dem brutaleren American Football verwechselt, wird bei St. Pauli schon seit 1933 gespielt, das Frauenteam ist aber erst vor sechs Jahren entstanden. Die 16 Jahre alte Ivana Zivojinovic, die jüngste im Team, steuerte gestern ebenfalls fünf Punkte bei, alle anderen kickte souverän Nicola Tuschwitz, die zu den fünf Nationalspielerinnen im Team gehört: Die Polizistin schießt am besten.

Der Superstar der Mannschaft ist aber Corinna Steinmetz. 25 Jahre ist sie alt, hat erst 1993 in Schottland mit Rugby angefangen und bereits bei der Frauen-Weltmeisterschaft gespielt. Die Biologie-Studentin ist erst zwei Tage vor dem Spiel aus den USA wiedergekommen, wo sie vier Monate an einem Forschungsprojekt gearbeitet hat. Hätte man sie nicht gebeten, für die Meisterschaft zu spielen, wäre sie auch noch länger geblieben.

Mit ihren sehr kurzen Haaren, der großen und kräftigen Statur und den muskulösen Waden sieht sie zumindest von weitem eher männlich aus und bestätigt das Klischee einer Rugby-Spielerin. In Kiel, wo sie studiert, trainiert sie oft mit Männern, hat auch schon mal einem ein blaues Auge verpaßt, wie sie nicht ganz ohne Stolz zugibt.

Sehr weiblich ist ihr offenes Lachen. Nach dem großen Sieg strahlt sie übers ganze Gesicht, begeistert von dem tollen Spiel: „Es ist ein Superteam, und auch zwischen den Mannschaften haben wir ein tolles Verhältnis“, findet sie. Nach dem Spiel ist die Gegnerschaft vorbei, es wird umarmt und gelacht, gestern vor Freude sogar geweint. „Danach ist immer Freundschaft und Stimmung angesagt“, sagt Corinna Steinmetz und feiert weiter mit den „We are the champions“ singenden Frauen.

Die wissen zu dem Zeitpunkt noch nicht, daß es für Corinna Steinmetz das letzte Spiel war. Sie will aufhören und sich jetzt um ihre Diplomarbeit kümmern. Ein bißchen Wehmut klingt da mit, aber „mit dem Meistertitel aufhören, das paßt doch!“. Sie will es den anderen erst am Abend mitteilen.