Wisch und weg

■ Gesichter der Großstadt: Irmela Adusei Poku beseitigt Nazi-Parolen

Entgeistert blickt der Mann in der U-Bahn von seiner Zeitung hoch. „Entschuldigung, Sie sitzen auf einem Hakenkreuz“, hat sie ihm gesagt. Irmela Adusei Poku ist seit zehn Jahren mit Aceton, Farbe und Spachtel unterwegs. Seit 1991 hat sie außerdem die Sprüche, die sie wegwischt, fotografiert.

Acht Aktenordner sind zusammengekommen. Ob „Türken raus“ oder „Doitschland erwache“, 2.330 rassistische und faschistische Parolen, mehr als vierhundert Aufkleber rechtsextremer Parteien oder Organisationen hat sie an Wänden, Bahnwaggons oder Gartentoren weggewischt, abgekratzt und übermalt. Immer wieder schickte sie Schreiben an die Verkehrsbetriebe oder Verwaltungen. Angefangen hatte alles mit einem Rudolf-Heß-Aufkleber an einer Bushaltestelle. Sie riß den Kleber ab. Hinterher habe sie sich erleichtert gefühlt, sagt sie.

Als Irmela Schramm vor fast 50 Jahren in Stuttgart geboren wurde, war der Krieg aus. Durch die Berichte der Eltern „habe ich ihn hassen gelernt“. Wenn auch nicht so einfach zu vergleichen, doch Sprüche, in denen „Ossis und Wessis übereinander herfallen“, kann sie deshalb sowenig stehen lassen wie die Aufforderung, „Glatzen zu schlagen, bis sie platzen“. Gewalt macht der 49jährigen Lehrerin und Heilpädagogin an der Tempelhofer Marianne-Cohn-Schule für geistig Behinderte Angst.

Sie wurde nicht nur einmal bedroht. Ein Passant wünschte sie in die Gaskammer, ein anderer wollte sie verprügeln. Ein Betrunkener lauerte ihr in der U-Bahn auf. „Er baute sich vor mir auf, öffnete seinen Mantel.“ Auf seinem T-Shirt stand eine Beschimpfung. „Ich habe laut losgelacht, da ist er weggerannt.“

Wenn die Pädagogin mit ihrem Leinenbeutel voller Putzutensilien unterwegs ist, sucht sie das Gespräch. Besonders viel Überwindung koste es, sagt sie, Fremde um Hilfe zu bitten. „Man weiß nie, wie jemand reagiert.“ In Wittenau bat sie einmal in einer Pizzeria um eine Leiter. Da wurde das ganze Haus auf den Kopf gestellt, bis sie die Leiter bekam.

Es war eine Friedensinitiative, die die Zehlendorferin bei ihrem Vorhaben unterstützte, zur Erinnerung an den Holocaust ihre Fotos und Dokumente auszustellen. Das Zehlendorfer Rathaus öffnete dafür sofort seine Pforten. „Für manche Politiker bin ich ein Alibi gegen das schlechte Gewissen.“ Lange hatte sie deshalb auch überlegt, ob sie Ende vorigen Jahres den Bundesverdienstorden annehmen sollte. „Ich verstehe mich schließlich nicht als Putzfrau der Nation.“ Außerdem ermittelte damals die Staatsanwaltschaft gegen sie, weil sie sich für die „Entzäunung des Asylgewahrsams“ ausgesprochen hatte. Das Verfahren wurde eingestellt, erzählt die mit einem Ghanaer verheiratete Frau.

Dann putzt sie im U-Bahn- Waggon los. Das Hakenkreuz muß noch weg. Kathi Seefeld

Die Ausstellung „Haß-Schmierereien, fotografiert und vernichtet von Irmela Schramm“ bis 15. 12., Mo.–Fr., 9–18 Uhr, Rathaus Zehlendorf, Kirchstraße 1–3