Sanssouci: Nachschlag
■ Das HKW hatte zum Gespräch mit Taslima Nasrin geladen
Der Saal im Haus der Kulturen der Welt war bis auf den letzten Platz gefüllt, als am Samstag Taslima Nasrin, begleitet von zwei Leibwächtern, das Podium betrat, auf dem ihr Gesprächspartner, der Schriftsteller Peter Schneider, bereits eine Viertelstunde allein gesessen hatte. Nach wie vor muß Frau Nasrin, die aus ihrer Heimat Bangladesh ins schwedische Exil getrieben wurde, um ihr Leben fürchten. Die Veranstaltung fand unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, am Eingang wurden Besucher mit Detektoren auf Waffen untersucht.
„Die Verantwortung des Schriftstellers in der Gesellschaft“ hieß das ausgreifende Thema des Abends. Was zunächst sehr abstrakt klingt, bekommt mit Blick auf die Schicksale von Taslima Nasrin, Salman Rushdie oder Saro-Wiwa eine bedrängende Aktualität. Ist es die Aufgabe der Schriftsteller, der Gesellschaft die bestehenden Mißstände vorzuhalten? Sind Autoren, eine zumindest in Deutschland noch weit verbreitete Meinung, die besseren Menschen? „Ich habe nie einer politischen Partei angehört“, sagt Taslima Nasrin, „weil für mich das Schreiben ein Mittel war, die Menschen zu erreichen, und ich werde weiter schreiben wie zuvor. Ich habe meinen Fanclub, doch viele darin haben Angst, keinen Mut, mich offen zu unterstützen. In einem Gedicht, das ich sehr mag, sagt Tagore: Wenn niemand dich begleiten will, geh allein! Das habe ich getan.“
Mehr und mehr geriet die Veranstaltung, die als Podiumsdiskussion gedacht war, zu einer Art Interview. Was Peter Schneider, der als Alt-68er auf das Thema „Geist und Macht“ abonniert ist, zur Sache zu sagen hatte, ist ohnehin bekannt. In seinen kurzen Wortmeldungen schien als Schablone die alte Diskussion um das Verhältnis von „littérature pure“ und „littérature engagée“ durch. Zu den jüngst in der Presse erhobenen Vorwürfen, sie habe ihre Verfolgung nur inszeniert, um von ihrer mittelmäßigen Begabung als Schriftstellerin abzulenken, wurde Nasrin nicht befragt. Überhaupt wurde sie kaum befragt.
Na, wollen Sie die Wahrheit wissen, die ganze bittere Wahrheit? Die Veranstaltung mit Nasrin und Schneider hat niemals stattgefunden. Sie ist ausgefallen, weil Frau Nasrin kurzfristig nach London mußte (wie vor einem Jahr auf der Buchmesse, als sie auch kurzfristig irgendwohin mußte). Ich bin sauer wieder nach Hause gefahren, der schöne Parkplatz direkt vorm Haus war natürlich futsch, der Abend sowieso. Peter Schneider hat indessen wahrscheinlich Karneval gefeiert – Helau! Peter Walther
Das Nasrin-Zitat stammt aus einem Libération -Interview, das am 10. 9. 94 auch in der taz erschienen ist.
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