ANC im Siegestaumel

■ Mandelas Partei gewinnt Kommunalwahlen in Südafrika und regiert künftig auch in konservativen Hochburgen

Johannesburg (taz) – Erwartungsgemäß hat der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) unter Präsident Nelson Mandela die ersten demokratischen Kommunalwahlen in Südafrika haushoch gewonnen. Neun Tage nach den Wahlen vom 1. November konnte die Wahlkommission am Freitag abend endlich ein halbwegs verläßliches Ergebnis vorlegen. Danach gewann der ANC 63,7 Prozent der Sitze und 66,3 Prozent der Stimmen. Die Differenz erklärt sich aus dem komplizierten Wahlrecht, einer Mischung aus Direkt- und Verhältniswahlrecht, bei dem bestimmte Gruppen wie weiße Farmer und schwarze Häuptlinge Sonderrechte hatten. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 51 Prozent.

Eine nennenswerte Opposition haben die Wahlsieger in den nächsten Jahren nicht zu befürchten. Zweitstärkste Partei wurde die Nationale Partei (NP) unter dem letzten weißen Präsidenten de Klerk. Sie kam auf 16,2 Prozent der Stimmen und 16,4 Prozent der Sitze und mußte damit im Vergleich zu den Parlamentswahlen im April vergangenen Jahres Verluste von über vier Prozent hinnehmen. Besonders stark verloren hat die NP in ihrer Hochburg, der Provinz Western Cape. Unter den neun neuen Provinzen Südafrikas ist das die einzige, in der die NP seit vergangenem Jahr die Regierung stellt. Dort haben offenbar vor allem Farbige, bisher Anhänger von de Klerk, dem ANC ihre Stimme gegeben. Auch viele konservative Städte, lange Zeit Horte des burischen Establishments, werden künftig vom ANC regiert, so die Universitätsstadt Stellenbosch. Einen großen Erfolg erzielte die NP nur in der südafrikanischen Verwaltungshauptstadt Pretoria.

Drittstärkste Partei mit vier Prozent ist die rechte Freiheitsfront (FF) unter dem früheren General Constand Viljoen. Auch sie kann mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein, hoffte sie doch, für den von ihr erträumten Volksstaat auf die Zustimmung der Wähler. Noch schlechter schnitt die rechtsextreme Konservative Partei mit 1,1 Prozent ab. Auch rechtsextreme Hochburgen wie Ventersdorp im Nordwesten, wo die „Afrikaner Widerstandsbewegung“ (AWB) ihr Hauptquartier hat, werden künftig vom ANC regiert.

An vierter Stelle liegt die liberale Demokratische Partei mit 3,1 Prozent. Sie hat ihre Stammwähler im großstädtischen Milieu, ist landesweit aber so gut wie bedeutungslos. Das gilt auch für alle anderen Oppositionsparteien. Der Panafrikanische Kongreß (PAC) kam auf 1,4 Prozent. Schlußlicht ist die Inkatha-Freiheitspartei (IFP) unter Innenminister Buthelezi mit 0,7 Prozent. Der Querulant muß daraus die Lehre ziehen, daß seine Partei nicht die schwarze Oppostionspartei ist, die er sich wünscht. Stark ist Inkatha nur in Kwa Zulu/ Natal. Dort wurde die Wahl verschoben, weil sich die Parteien nicht auf einen Zuschnitt der Wahlkreise einigen konnten.

Auch wenn sich der ANC schon seit mehr als einer Woche in seinem Sieg sonnt, bedeutet das Wahlergebnis harte Arbeit. Die Installierung von funktionierenden Kommunalverwaltungen wird vor allem in den ländlichen Gebieten, aber auch in vielen städtischen Townships nicht leicht werden. Die neuen Gemeinden auf dem Land sind oft Hunderte von Quadratkilometern groß und verfügen kaum über Infrastruktur. In vielen Townships ist es hingegen mit den staatsbürgerlichen Tugenden der Bewohner nicht weit her. Daß man Miete, Steuern und Abgaben für Strom und Müllabfuhr bezahlen muß, damit eine Kommune funktionieren kann, ist vielen Townshipbewohnern noch fremd. Auch die Umsetzung des Programms für Wiederaufbau und Entwicklung der Regierung (RDP) wird davon abhängen, ob vor Ort funktionierende Kommunalverwaltungen arbeiten. Das Programm, für das im Haushalt bis 1999 15 Milliarden Mark bewilligt sind, scheitert bislang vielfach, weil es keine lokalen Instanzen gibt, die in der Lage sind, das Geld sinnvoll zu verplanen und die Durchführung umzusetzen. Kordula Doerfler