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Stinkmarode oder nur stinknormal?

■ Der hessische Justizminister und Bündnisgrüne Rupert von Plottnitz (55) zu den skandalträchtigen Affären seiner schwer angeschlagenen Partei in Hessen

taz: Nach dem Skandal um die zurückgetretene grüne Umweltministerin kam Ihr Koalitionspartner zu dem Schluß, daß die Bündnisgrünen in Hessen eine stinkmarode Partei geworden seien ...

Rupert von Plottnitz: Stinknormale ...

Stinkmarode. Das jedenfalls sagte SPD-Landesgeschäftsführer Norbert Schmitt.

Marode sind wir nicht, auch nicht stinkmarode. Aber wir sind zur Zeit schwer angeschlagen, da ist nichts zu beschönigen. Wir müssen schnell zurück zu Verhältnissen, in denen wir wieder die Partei sind, die weiß, daß man Arbeitsplätze nicht durch rücksichtslosen Umgang mit der Umwelt schafft.

Ist es nicht für die Partei, die sich immer als Hüterin der politischen Moral aufspielte, doppelt peinlich, daß in den letzen Wochen ein bündnisgrüner Skandal dem anderen folgte – zuletzt die 17.000 Mark an Umzugskostenerstattung für den Büroleiter der damaligen Ministerin Iris Blaul, Horst Dieter Zahn?

Das kann ich so nicht stehenlassen. Gerade wir in Hessen haben uns immer bemüht, den Gestus, daß wir sozusagen qua Parteizugehörigkeit gute Menschen seien, nicht über Gebühr zu strapazieren. Richtig ist, es hätte uns nicht passieren dürfen.

Also mit offenen Augen in die Katastrophe?

Wenn ich mir ansehe, aus welchem Stoff die Konflikte waren, die zum Rücktritt von Frau Blaul geführt haben, dann frage ich mich, ob der Gedanke, daß sich das mit einer anderen, besseren Führung hätte vermeiden lassen, nicht seinerseits auf einer etwas totalitären Vorstellung von Politik beruht. Das Problem, daß der Ex-Büroleiter von Frau Blaul, Herr Mayer, ihr Lebensgefährte war und ist, wurde rechtzeitig erkannt.

Man kann uns vorwerfen, daß das Problem nicht mit dem notwendigen Druck angegangen wurde. Aber man muß um der Gerechtigkeit willen auch hinzufügen, daß der Mann schon Abteilungsleiter war, als Frau Blaul Doppelministerin wurde.

Der Fall Zahn liegt aber anders. Da moniert die Opposition wohl zu Recht, daß sich da ein Bündnisgrüner – wie weiland Frau Pfarr (SPD) – schamlos aus der Landeskasse bedient habe: 17.000 Mark für einen Umzug von Oberursel nach Dreieich.

Am Fall Zahn ist besonders ärgerlich, daß auch in unserem Bereich die sogenannte beamtenmäßige Normalität in Anspruch genommen wurde, die den Eindruck einer Zugriffsmentalität erwecken muß. Das sind Erscheinungsformen, die wir schleunigst wieder ablegen müssen.

Schon nach der Blaul-Affaire haben Sie von „großem Schaden für die Partei“ gesprochen. Ist er noch zu begrenzen?

Der Schaden ist eingetreten. Da gibt es nichts zu beschönigen. Wir müssen jetzt nach außen deutlich machen, daß wir aus diesen Vorgängen gelernt haben. Es muß uns gelingen offenzulegen, daß wir in Zukunft die Grenze zwischen privaten und amtlichen Angelegenheiten so säuberlich wahren, wie wir das von anderen immer verlangen. Und es muß uns gelingen, glaubhaft darzulegen, daß wir unter realpolitischer Normalität nicht vor allem eine Zugriffsmentalität im Umgang mit öffentlichen Geldern verstehen. Dann glaube ich schon, daß wir den angerichteten Schaden reparieren können. Da müssen wir dran arbeiten. Interview: Klaus-Peter

Klingelschmitt

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