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Kunst & GeldVoll auf Bremer Linie

■ Nur recht und billig: Die Kulturkritik droht vom Kulturgeschäft instrumentalisiert zu werden – Bremen hilft kräftig mit

„Die Filmkritik muß unabhängig sein. Aber sie muß auch donnerstags sein.“ Es ist gut zehn Jahre her, daß der Filmjournalist Michael Kötz, heute Leiter des Mannheimer Filmfestivals, seine Polemik gegen die Verfilzung des Film- und Mediengeschäfts mit dieser Bemerkung einleitete. Heute ist sie aktueller denn je. Der Unterschied: Inzwischen läßt sich Kötzens Bonmot umstandslos auf den Rest des Kulturbetriebs übertragen. Die Kunstrezension muß frei sein – aber bitte auch pünktlich zur Vernissage. Die Konzertkritik muß ebenfalls sein – aber eine längere Vorankündigung müßte schon auch sein, sonst rücken die Veranstalter nämlich erst gar keine Karten für den geneigten Rezensenten heraus. Eine Praxis, die die allmächtige Bremer Agentur KPS seit Jahren praktiziert. Und auch auch die Theaterkritik muß sein, möglichst lang natürlich. Aber wäre nicht außerdem ein großes Vorab-Interview mit dem Dramaturgen drin? Oder ein launiger Werkstattbericht mit viel Atmo? Oder wenigstens ein Preisausschreiben samt Kartenverlosung? Dann könne man vielleicht sogar mit einer Anzeige rechnen ...

Kurz: Die Journaille muß unabhängig sein. Aber sie muß auch zunehmend den Veranstaltern und Initiatoren gefügig sein, deren Kulturereignisse entsprechend beworben sein wollen. Schließlich ziehen wir ja alle – irgendwie – am gleichen Strang; schließlich wollen wir ja alle, daß Bremens Kulturleben überregional ein größtmögliches bzw. recht positives Echo erfährt.

Der Journalismus als verlängerter Arm des Kulturmarketing: Diese „Denke“, wie es unnachahmlich im Neudeutsch der Werbeszene heißt, ist nicht länger nur unter Marketingstrategen verbreitet. Auch die Kulturvermittler selbst, die Museumsleute und Theatermacher, freunden sich jetzt mit diesem Gedanken an. Oder wie ist es sonst zu verstehen, wenn die Galeristin Katrin Rabus im „Klub“, einem monatlichen Zirkel Bremer Vordenker, laut über die Finanzierung eines Fonds nachdenkt, mit dem auswärtige Lohnschreiber angeheuert werden sollen? Es müsse „ein effektives Instrument für eine überregionale Presseberichterstattung“ entwickelt werden. Denn: „Hier muß mit relativ wenigen Mitteln auch nach außen sichtbar gemacht werden, daß Bremen in vielen Bereichen den Vergleich mit anderen Städten nicht zu scheuen braucht.“ (siehe taz vom 10.11.)

Auf gut bremisch: Unsere Kultur ist Spitze – der einzige Mangel in Bremen herrscht an Kulturagenten, die laut und fröhlich auf dem Marktplatz schreien. Und dafür sind die Kultureinrichtungen bereit, zu zahlen. Sie beklagen sich zwar über den zunehmend lärmigen Rummel im Kulturgeschäft, der seit Beginn der neunziger Jahre jede Ausstellung zum Kulturereignis machen will – aber sie möchten schon auch gern mitrummeln.

Wie sollten die Museen und Theater auch anders reagieren? Der Trend zur Großausstellung, zum Theater- und Konzertfestival – ein einzelner, gelungener Abend reicht schon nicht mehr aus – hat ja lange schon die Preise verdorben, heben die Kulturvermittler entschuldigend die Hände. „Wir sind längst in Zugzwang geraten“, läßt Weserburg-Chef Thomas Deecke über die FAZ verlauten. Und meint damit eigentlich die Frage, ob sich die Museumsleute nun vollends den Sponsoren in die Arme werfen sollen oder ob nicht doch endlich die Kultur- und Finanzpolitiker zur „Rettung der Kultur in Deutschland“ antreten sollen. Aber bis das entschieden ist, herrscht eben „Zugzwang“. Und so heften sich die Museumsleute blindlings an die Fersen der kommerziellen Kulturvermarkter. Um immer noch größere Ereignisse zu produzieren. Das heißt auch: Medienereignisse. Der „Zugzwang“ wird an die „Kollegen von Presse, Funk und Fernsehen“ weitergegeben. Gefolgschaft wird gefordert – Bündnistreue statt Eigensinn. Nichts ist einzuwenden, wenn sich die Kulturvermittler in Ermangelung staatlicher Fürsorge an willigere Finanzpartner wenden. Glückwunsch an die Kunsthalle: Endlich wirbt „Beck's“ für sein „Spitzenpilsener von Welt“ nicht nur beim Sechs-Tage-Rennen, sondern auch bei der kommenden Max-Liebermann-Retrospektive. Der Kunst wird's nicht schaden. Es schmälerte auch nicht die Qualität der wissenschaftlichen Beiträge im Toulouse-Lautrec-Katalog, daß KPS vor Jahresfrist Toulouse-Lautrec-Doppelgänger als Werbegag durch die Straßen tapsen ließ. Es fällt Thomas Deecke auch kein Zacken aus der Krone, wenn die Bremer Landesbank – und nicht der Wirtschaftssenator – beim Schnittchenessen zur Vernissage der aktuellen James-Lee-Byars-Schau Flagge zeigt. Im Gegenteil: Die Landesbank versteht nämlich was von Kunst. Die dort eigens eingestellte Kunsthistorikerin dürfte der Weserburg jedenfalls eine kompetentere Partnerin sein als z.B. die amtierende Bremer Kultursenatorin.

Aber wo sich alle kompetent ins Zeug legen, wo alle zum Ruhme Bremens (nicht etwa zum eigenen) mit den Armen rudern, da dürfen auch „die Medien“ nicht fehlen. Mit ihrer unterschwelligen, aber doch deutlichen Forderung liegen die Kulturmacher voll im Trend. Nie zuvor wurden Journalisten so massiv von Unternehmen und Parteien umworben. Wer einen Blick auf den Stellenmarkt wirft, findet dort deutlich mehr Offerten für PR-Jobs und Posten in der Öffentlichkeitsarbeit als tatsächliche journalistische Angebote. Wo die Grenzen so durchlässig geworden sind, findet auch der Gedanke schnell Platz, daß das Schreiben für die Zeitung ja auch – irgendwie – bloß eine Art von Öffentlichkeitsarbeit ist.

Der Rummel läuft auf vollen Touren; seine Eigendynamik reißt die alten Grenzen vollends ein. Vorbei die Tage, in denen zwischen PR-Waschzettel und redaktionellem Artikel genau unterschieden wurde. Wer bemerkt es noch, wenn der „Weser Kurier“ in seinem großen Bericht über das neue „Übersee“-Lokal neben plakativen Vier-Farb-Fotos auch das bunte Werbeplakat des Hauses abdruckt – nicht als bezahlte Anzeige, sondern als redaktionelle Illustration? Welche Kritik konnte sich der Musikkritiker der „taz“ noch leisten, als er das Konzert des „Art Ensembles Of Chicago“ besprach – ein Ereignis, das die „taz“ auf Drängen der alerten Marketingleute des Bremer Musikfests „präsentierte“?

Nun – künftig kann das ja alles aus einer Hand besorgt werden. Die nächste Schau in der Weserburg oder sonstwo wird dann professionell von einem PR-Büro betreut; bereits acht Wochen vor der Vernissage fliegen den Redaktionen der Bremer Presseorgane die Waschzettel auf den Tisch mit allen relevanten Infos; vier Wochen vorher wird der namhafte Künstler für diverse Interviews eingeflogen; zwei Wochen vorher der namhafte Gastkurator; und wenn die heimische Presse dann immer noch nicht auf Bremer Linie ist – dann besorgt das PR-Büro ganz flott ein paar auswärtige Lohnschreiber für die überregionale Öffentlichkeitsarbeit, alles bezahlt aus dem neuen Pressefonds, d.h. bezahlt vom Veranstalter selbst. Dann endlich liefe alles wie geschmiert. Dann wäre die Theater-, Kunst- und Filmkritik nicht nur pünktlich, sondern auch noch recht und billig. Thomas Wolff

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