: Handelszuwachs außer in Afrika
■ Erster Jahresbericht der WTO: Der Welthandel stieg dreimal so stark wie die Produktion, Europa erholt sich
Genf (taz) – West- und Osteuropa erholen sich, weite Teile Asiens und (Latein-)Amerikas boomen, der afrikanische Kontinent spielt – mit Ausnahme Südafrikas – für den Welthandel eine immer geringere Rolle. Das sind die Haupttendenzen der globalen Export- und Importentwicklungen, die die neugegründete Welthandelsorganisation (WTO) in ihrem gestern in Genf veröffentlichten ersten Jahresbericht verzeichnet.
Im Jahre 1994 hatte das weltweite Export- und Importvolumen mit einer Rekordsteigerung von 9,5 Prozent erstmals den Wert von 4 Billionen Mark überschritten. Für 1995 rechnet die WTO mit einem etwas schwächeren Wachstum des Welthandels. Mit 8 Prozent Zuwachs werden Schiffe, Frachtflugzeuge und Lkws aber auch 1996 gut ausgelastet sein. Das wäre mehr als das Dreifache des globalen Produktionswachstums. Bereits seit 20 Jahren ist das Volumen des Welthandels größer als die Produktionsrate. Im nächsten Jahr soll laut WTO der Welthandel um knapp 8 Prozent steigen.
Die größten Exportsteigerungen mit jeweils über 30 Prozent verzeichneten im Berichtszeitraum China, Malaysia, Südkorea und Mexiko. Malaysia und Südkorea siegen – in den Maßstäben der Welthändler – neben Thailand und Brasilien mit ebenfalls über 30 Prozent Steigerungen auch bei den Importen.
In Asien insgesamt wuchsen die Importe weit höher als die Exporte. Für Europa ist das Bild genau umgekehrt. Als Indiz für eine „deutliche Erholung“ der Wirtschaft in den zentraleuropäischen Staaten wertete WTO-Generaldirektor Ruggiero, daß die Importe in diese Region im ersten Halbjahr 1995 um 33 Prozent wuchsen und damit stärker als die Einfuhren nach Südostasien (30 Prozent); die Exporte aus Zentraleuropa stiegen um 25 Prozent (aus Südostasien um 28 Prozent).
Nach Analyse der WTO hat der Fall des US-Dollars an den internationalen Devisenmärkten entgegen vielfachen Erwartungen den Welthandel nicht nachweisbar beeinträchtigt.
Eine weitere Belebung des Welthandels erwartet WTO-Chef Ruggiero von der Aufnahme Chinas und Rußlands in die Organisation. Für Anfang Dezember kündigte er eine neue Verhandlungsrunde mit den beiden Aufnahmekandidaten an.
Keine konkreten Angaben macht der WTO-Bericht dazu, wie viele neue Arbeitsplätze durch den Zuwachs des Welthandels geschaffen wurden. Auch zu den Umweltfolgen verstärkter Handelstätigkeit äußerte sich die Organisation in ihrem Report nicht. Die WTO hatte Anfang des Jahres ihre Arbeit aufgenommmen; sie ist die Nachfolgeorganisation des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt). Andreas Zumach
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