: „Keine finale staatliche Verfolgung“ in Nigeria
■ Erst nach Saro-Wiwas Hinrichtung wird über einen Abschiebestopp diskutiert
Berlin (taz) – Nigerias Diktator General Abacho: ein „Blutsauger“ und „Schlächter“, „eine der grausamsten Gestalten Afrikas“. Nach der Hinrichtung Ken Saro-Wiwas und acht weiterer Bürgerrechtler gruselt es selbst der Bild-Zeitung ob der Zustände im fernen afrikanischen Land: „Politische Gegner verschwinden in Gefängnissen. Werden dort einfach erschlagen, oder man läßt sie verhungern.“ Politische Gegner, staatliche Verfolgung? Bis zu Saro-Wiwas Tod waren das Fremdworte in der Beurteilung der Lage in Nigeria.
Für den gestrigen Dienstag zum Beispiel stand auf dem Flughafen Düsseldorf die routinemäßge Abschiebung von 36 abgelehnten nigerianischen Asylbewerbern auf dem Plan. NRW-Innenminister Kniola hat diesen Rücktransport jedoch kurzfristig gestoppt und die Ausländerbehörden angewiesen, von weiteren Abschiebungen abzusehen. Andere SPD- beziehungsweise rot-grün regierte Länder wollen bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Dezember ähnlich verfahren. Dort werden Bund und Länder auch über einen bundesweiten Abschiebestopp beratschlagen. Er wird aller Voraussicht nach am Veto des Bundesinnenministers scheitern, so daß die Länder nur noch maximal sechs Monate lang in Eigenregie von Abschiebungen absehen könnten.
Ein Abschiebestopp stand nie ernsthaft zur Diksussion – obwohl General Abacho bereits seit zwei Jahren sein Land terrorisiert. Die Asylbewerber galten fast ausnahmslos als Wirtschaftsflüchtlinge. 1992 hatten noch 10.000 Nigerianer in der Bundesrepublik Asyl gesucht. 1993, im Jahr der Verschärfung des Asylrechts, sank die Zahl auf knapp 1.000. 1995 beantragten bisher 806 Nigerianer Asyl. Nur 1,6 Prozent wurden als politisch verfolgt anerkannt.
Maßgebend für die rigide Beurteilungspraxis dürften die Lageberichte des Auswärtigen Amtes sein. In dem aktuellsten Bericht aus dem Kinkel-Ministerium, er datiert vom März diesen Jahres, heißt es zum Beispiel: „Auch wenn im staatlichen Repressionsapparat schwerste Menschenrechtsverletzungen immer wieder vorkommen [...], ist eine finale Verfolgungssituation im Sinne unseres Asylrechts die Ausnahme. Von Menschenrechtsorganisationen in Deutschland zuweilen angeprangerte Übergriffe sind kein Beweis für systematische und zielgerichtete Verfolgungsmaßnahmen.“ Vera Gaserow
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