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Die SPD gibt sich die Knute

■ Der SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping kritisiert sich selbst und seine Kokurrenten, das Parteivolk schäumt

Mannheim (AP/AFP/dpa) – „Widerwärtig und unerträglich“ nannte die Delegierte Brigitte Wucherpfennig den Führungsstreit in der SPD. „Die Aufführung der Indianer bei den Karl-May-Festspielen in Segeberg war wesentlich besser als das Schauspiel, das sich unsere Oberindianer in diesem Jahr geleistet haben“, schäumte Schleswig-Holsteins SPD-Vorsitzender Willi Piecyk. Auf dem SPD-Parteitag in Mannheim begann gestern die Abrechnung gegen die zerstrittene Führungscrew. Besonders der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder bekam dabei sein Fett weg: „Ich weiß wohl, Profilierung gegen die eigene Partei bringt die größten Schlagzeilen, aber für die SPD auch die größten Niederlagen“, beklagte sich Parteichef Rudolf Scharping.

Der so Gescholtene verteidigte sich: „Ich habe Fehler gemacht.“ Gleichwohl wies er den Vorwurf zurück, er habe der Partei geschadet. Das sei schon durch seine guten Wahlergebnisse in Niedersachsen bewiesen. Anschließend sorgte Schröder für gewaltige Aufregung: „Ihr werdet euch entscheiden müssen, ich kandidiere nämlich!“ rief er in den Saal. Einige GenossInnen schrien auf, andere hielt es nicht mehr auf den Plätzen, viele schauten sich ratlos an – das Parteivolk glaubte an eine Kampfkandidatur des Niedersachsen gegen Scharping um den SPD-Vorsitz. Doch dann kehrte Schröder zum Rednerpult zurück: „Für den Parteivorstand, für den Parteivorstand“, beeilte er sich, die Wogen zu glätten. Zuvor hatte SPD-Chef Scharping in seiner Grundsatzrede auch eigene Fehler eingestanden. Er räumte ein, er habe sicher „zuviel gemacht, zuwenig bewirkt und zu sehr auf Konsens geachtet“. Er habe auch „den Willen zu vertrauensvoller Zusammenarbeit überschätzt“.

Die in seinem Redemanuskript noch enthaltene Formulierung, die SPD müsse 1998 die Macht übernehmen, kam ihm gestern nicht mehr über die Lippen. Auf die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Flügeln der SPD eingehend, bezeichnete Scharping die Alternative „Modernisierer gegen Traditionalisten“ als falsch. Statt dessen gelte es, die zentrale Frage der Gegenwart zu beantworten: „Wie können wir die Grundlagen des sozialen Friedens erhalten unter dem Druck des globalen Wettbewerbs?“

„Besonders die emotionalen Passagen waren gut“, sagte Scharpings Frau Jutta nach der Rede. Die meisten Vorstandsmitglieder zeigten sich mit Scharping zufrieden, der auch versprach, keine Formelkompromisse während des Parteitags zuzulassen. Diejenigen, die schon vor dem Parteitag für eine Änderung der Führungsstruktur der Partei plädiert hatten, wurden jedoch durch Scharpings Rede nicht umgestimmt. Der bayerische SPD- Politiker Albert Schmid sagte, die Ursachenforschung sei unvollständig gewesen. Die Probleme der SPD könnten nicht auf den Streit zwischen einzelnen Personen reduziert werden, sie lägen viel tiefer. „Darüber wird Ende 1997, Anfang 1998 entschieden“, sagte Sachsens SPD-Chef Karl- Heinz Kunkel. Tagesthema Seite 3

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