: Bewährung für Müll-Mafiosi
■ Prozeß um Abfallschiebereien: Dubiose Müllhändler verurteilt / Anklage gegen Hamburger Shell- und Wasserwerks-Mitarbeiter Von Marco Carini
Die ersten Urteile sind gesprochen, die Angeklagten verurteilt. Der Hamburger Müllmakler Wolf-Rüdiger Greth und sein Schweriner Geschäftspartner Peter Benthien wurden am Dienstag vom Amtsgericht Schwerin zu Bewährungs-haftstrafen und empfindlichen Geldbußen verurteilt – als Initiatoren einer der größten Müllschiebereien in der Geschichte Hamburgs.
Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die beiden Männer in mehreren Fällen den Sondermüll Hamburger Industrieunternehmen umweltgefährdend in Mecklenburg-Vorpommern beseitigt und dort in drei Fällen Abfallanlagen illegal betrieben hatten. Während Greth, als treibende Kraft der Schiebereien, zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt wurde und 60.000 Mark an eine Umweltorganisation zahlen muß, kam der für die „Ost-Kontakte“ zuständige Benthien mit einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe von 40.000 Mark davon.
Die Geschäfte des dubiosen Duos liefen immer nach dem gleichen Strickmuster: Greth und Ben-thien boten Hamburger Groß-Unternehmen kostengünstig die Ent-sorgung ihres Sondermülls an, den sie dann – zum Teil falsch deklariert – noch viel kostengünstiger, weil illegal, in Mecklenburg-Vorpommern loswurden. Mit fehlerhaften Gutachten wurde aus den schadstoffbelasteten Müllfrachten harmloses Wirtschaftsgut, das dann an ungeeigneten Plätzen abgelagert wurde. Die Müllieferanten, in Hamburg so stadtbekannte Unternehmen wie die Wasserwerke, die Shell AG, das Deutsche Altlastensanierungszentrum (Nordac) oder auch Blohm + Voss wollen von all dem nichts bemerkt haben.
Daß dies nicht stimmt, davon geht die Hamburger Staatsanwaltschaft zumindest bei den zwei Mülldeals aus, die auch im Schweriner Prozeß die Hauptrolle spielten. Sie hat, wie Staatsanwaltssprecher Rüdiger Bagger gestern bestätigte, gegen Mitarbeiter der Wasserwerke und der Shell Anklage wegen „umweltgefährdender Abfallbeseitigung“ erhoben. Die Angeklagten sollen zumindest „fahrlässig“ gehandelt haben.
Die Shell AG hatte 1992 rund 510 Tonnen geschreddertes Bauholz, das mit Schwermetallen und organischen Verbindungen belastet war, durch die A.S.N. GmbH (Geschäftsführer Wolf Rüdiger Greth) zum Preis von 298.000 Mark ent-sorgen lassen. Die Holzabfälle verschwanden nicht auf einer Deponie, sondern landeten auf einem ungesicherten Grundstück in Holthusen bei Schwerin, daß einer weiteren Greth-Firma gehört.
Im zweiten Fall waren 3000 Tonnen mit Teer und Altöl belastete Erde, für deren Beseitigung die Wasserwerke 900.000 Mark hingeblättert hatten, als unbelasteter Mutterboden deklariert, auf einer Deponie in Ruthen bei Lübz (Landkreis Parchim) gelandet. Beide Male hatte das Hamburger Umweltlabor „Dr. Kaiser & Dr. Woltmann“ den Abfallfrachten unzutreffend attestiert, daß von ihnen keine Gefahr für die Umwelt ausgehe.
In den Müllskandal sind – das machte der Prozeß deutlich – auch zahlreiche Schweriner Behördenmitarbeiter verwickelt, die es mit den Genehmigungen nicht so genau nahmen. Zwei von ihnen stehen inzwischen in Diensten der Müll-Mafiosi. Der ehemalige Schweriner Umweltdezernent, Edmund Haferbeck, kündigte nach dem Urteilsspruch an, weitere Strafanträge zu stellen. Haferbeck: „Die Behörden, die diese Geschäfte geduldet haben, gehören auch auf die Anklagebank“.
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