: Rollenwechsel
■ "Das Leben des Heinz von Jaworski" (0.05 Uhr, ZDF)
Der Dokumentarist Jürgen Stumpfhaus portraitierte 1992 Hitlers Chefkameramann Walter Frenz. Geduldige Gespräche über das Wechselspiel zwischen der inneren Einstellung und der Kameraeinstellung vermittelten seinerzeit in „Das Auge des Kameramannes“ interessante Einblicke in die Struktur der Nazi-Ästhetik. Mit seinem Film „Rollenwechsel“ über den Juden Heinz von Jaworski legt Stumpfhaus nun das Komplementär-Projekt über einen Kameramann vor, dessen Karriere ähnlich begann, der sich aber im Gegensatz zu Frenz nicht von der Nazi-Ästhetik korrumpieren ließ.
Obwohl er bei den Monumental-Ästheten Arnold Frank und Leni Riefenstahl gelernt hat, filmte Frontkameramann Jaworski unter anderem den Alltag des Krieges, das Gemetzel und das Sterben auf dem Schlachtfeld. 1937 erhielt Jaworski aufgrund seiner jüdischen Abstammung Berufsverbot. Doch Reichsfilmintendant Hippler rehabilitierte Jaworski mit dem Argument, die Arbeit des Spezialisten für Luftaufnahmen sei unverzichtbar für Nazi-Propagandafilme.
Der 84jährige ist ein wandelndes Geschichtsbuch der Filmhistorie. Wie schon in seinem Frenz- Film begleitet Stumpfhaus Jaworski in Studios und an Filmschauplätze, führt ihn mit früheren Kollegen zusammen. Jaworski quillt über vor Anekdoten und kleinen Geschichten. Obwohl der Film sich grob an eine chronologische Abfolge hält, paßt er sich dem Erzählrhythmus des Kameramannes an. Seine persönliche Sicht der Dinge, seine Erinnerungen und Anekdoten sind ebensowichtig wie die Fakten, die der Film vermittelt. Sein gedrehtes und bisher nicht im Fernsehen gezeigtes Filmmaterial macht diesen Rückblick auf die Geschichte des filmischen Handwerks spannend.
Jaworskis Karriere begann Ende der 20er Jahre. Der filmbegeisterte Jüngling rannte auf einen Schweizer Berg, wo Arnold Frank seinerzeit „Stürme über dem Montblanc“ mit Leni Riefenstahl drehte. Jaworski begann bei dieser Produktion als Stativträger, schloß die Bekanntschaft Riefenstahls und stieg zu deren Kameraassistent bei „Das blaue Licht“ auf. Sukzessive komplettierte er seine Ausrüstung und erwarb sich durch die Zusammenarbeit mit dem Kunstflieger Ernst Udet den Ruf des „fliegenden Kameramannes“. Jaworski fotografierte Filme wie „SOS Eisberg“ und „Quax der Bruchpilot“ mit Heinz Rühmann. Doch das Angebot Leni Riefenstahls, bei ihrem Reichsparteitagsfilm mitzuwirken, lehnte er ab und wurde statt dessen dritter Kameramann bei Luis Trenker. „Rollenwechsel“ legt besonderes Augenmerk auf die Phase der Machtergreifung durch die Nazis und deren Auswirkung auf die Arbeit jüdischer Filmschaffender. Anders als viele seiner jüdischen Kollegen wanderte Jaworski nicht aus. Er wollte weiter arbeiten, versuchte aber, dabei nicht nur Herrenmenschen abzulichten. Als „Kriegsberichter zur besonderen Verwendung“ bekam er 1939 beim Polenfeldzug deshalb Ärger mit seinen Vorgesetzten. Jaworski hielt das Elend toter und verwundeter Soldaten auf Zelluloid fest und wurde daraufhin degradiert. Sein Material stellte er 1945 den Russen zur Verfügung, die ihn 1947 bei den Sachsenhausen-Prozessen als Kameramann einsetzten. 1952 wanderte Jaworski in die USA aus. Zuletzt drehte er „Die Hexen von Eastwick“ mit Jack Nicholson. Manfred Riepe
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