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Beharrliche Erinnerungen

■ Eine Nacht der Hommagen an Jazz-Größen: Dave Douglas im „Moments“

Es war eine Nacht der Hommagen. Der junge New Yorker Trompeter Dave Douglas spielte am Mittwoch abend mit seinem traditionell instrumentierten Sextett. Im neueröffneten Club „Moments“ verloren sich die wenigen Zuhörer allerdings im weitläufigen Saal, auch direkt vor der Bühne blieben viele Stühle unbesetzt. Nach dem furiosen Auftakt, als sich hunderte Neugierige in der Eröffnungswoche im neuen Blues- und Jazzclub drängelten, zählte man diesmal nur etwa 50 Gäste. Und bei dieser Leere wirkte sogar die feine Inneneinrichtung eher kalt und düster.

Atmosphäre konnte da nur durch die Musik selbst entstehen. So war es eine der beeindruckensten Leistungen der Musiker, daß es im „Moments“ gleich nach dem Beginn des Konzerts schon sehr schnell gemütlicher wurde. Neben den Kompositionen von Douglas interpretierte die Band einige Stücke des in den frühen 60er Jahren sehr früh verstorbenen Trompeters Booker Little. Andere Kompositionen waren den Jazzmusikern John Coltrane und Woody Shaw gewidmet, und der Titel einer der schönsten gespielten Balladen schien die Grundstimmung des ganzen Abends zu beschreiben: „Persistence of Memory“, also die „Beharrlichkeit der Erinnerung“.

Aber dieser Jazz war alles andere als konservativ oder klassizistisch. Die Arrangements von Douglas und die Soli von ihm und seinen Mitspielern hatten eine jugendliche Frische und Spannung, die auch den getragenen Stücken einen zeitgenössischen Kick gaben. Dave Douglas hat sowohl in der Band des Souljazz-Veteranen Horace Silver wie mit New Yorker Avantgardisten wie John Zorn und Tim Berne gespielt, und diese ungewöhnliche Mischung zeichnet nun auch seine eigene Musik aus. Bei seinen Soli kann er blitzschnell von einem eleganten, weichen Ton in Wildheit und schräge Klänge umschwenken, und auf eine Ballade folgt bei ihm eine Freejazz-Einlage mit brachialen Pianoclustern.

Man merkte, daß Douglas mit großem Ehrgeiz an seinen Arrangements gefeilt hatte. Das Publikum wurde permanent überrascht, in welche Richtung sich die einzelnen Stücke entwickelten. Die verschiedenen Einsätze waren oft so kompliziert, daß Douglas seinen Mitspielern noch während des Spielens Details zuflüstern mußte und manchmal mit seiner Trompete regelrecht dirigierte.

Die noch sehr jungen Mitglieder der Band ergänzten sich mit ihren verschiedenen Temperamenten zu einem gut abgestimmten Ensemble. Saxophonist und Klarinettist Chris Speed spielte oft sehr ruckartig und fast bockig, während der Posaunist Joshua Roseman eher lyrisch und fließend klang. Am meisten beeindruckt an der Musik von Dave Douglas, wie geschickt er Klischees zu vermeiden versteht. Seine Hommagen erinnern zwar an die Vorbilder, aber sein Zugang ist so persönlich und originell, daß tatsächlich aus den Erinnerungen eine ganz neue Musik wird.

Willy Taub

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